Damit es besser rutscht: Kacken mit Erdnussbutter

Abgefilmte Gewaltfantasien: die Beziehung zwischen dem alten Mann (Paul McCarthy) und der blonden Maid (Lilith Stangenberg)
Ab Samstag im Volkstheater Wien: Paul McCarthy und Lilith Stangenberg besorgen es sich in „NV/ Night Vater / Vienna“

Es war im Jahr 2015: Paul McCarthy, der mit der Hollywood-Variante des Wiener Aktionismus (Ketchup statt Schweineblut) enormes Aufsehen erregt hatte, wurde vom Dramaturgen Henning Nass für ein Projekt an die Volksbühne Berlin eingeladen. Dort kam es zur Zusammenarbeit mit Lilith Stangenberg, die locker seine Tochter sein könnte: Er wurde 1945 in Salt Lake City geboren, sie 1988 in Berlin.

Eine Begebenheit – Stangenberg landete „nackt“ auf dem Fliesenboden eines Badezimmers – erinnerte die beiden an den Film „Der Nachtportier“ von Liliana Cavani aus 1974: In einem Wiener Hotel trifft Lucia Atherton (Charlotte Rampling) auf den ehemaligen SS-Offizier Maximilian Theo Aldorfer (Dirk Bogarde). Sie kennen sich gut: Er war ihr sadomasochistischer Peiniger im KZ gewesen. Nun verfallen sie einander erneut.

Damit es besser rutscht: Kacken mit Erdnussbutter

Paul McCarthy und Lilith Stangenberg: "Fuck you!"

Der alte Mann und die blonde Maid kamen zum Entschluss: „Wir sollten den ,Nachtportier‘ neu machen.“ Man wandte sich an Tomas Zierhofer-Kin, und der damalige Chef der Wiener Festwochen versprach eine Stange Geld. Als „Horsd’oeuvre“ (so die APA 2018) präsentierte McCarthy im Gartenbau sein Filmprojekt „CSSC/DADDA“, eine Interpretation von John Fords Western „Stagecoach“: Ein guter Teil der Montage bestand daraus, „auf Leichen zu kacken und Schwänze abzuschneiden“.

Wenige Tage später war allerdings nicht nur „auf der Leinwand die Kacke am Dampfen“ (ebenfalls: APA). Denn Zierhofer-Kin hatte ob der insgesamt extremen Programmierung zu gehen.

Dann wurde Kay Voges Direktor des Volkstheaters. Ihm konnte das Reenactment schmackhaft gemacht werden. Es wird ab heute an vier Abenden unter dem Titel „NV/ Night Vater / Vienna“ gezeigt – als Geschwisterprojekt zu „A&E / Adolf & Eva / Adam & Eve / Hamburg“, das Ende August am dortigen Schauspielhaus zu sehen war. Das Setting ist da wie dort das Gleiche: Auf der Drehbühne rotieren vier Zimmer einer Wohnung, Kameras filmen das Geschehen ab, das auf zwei Screens über der Szenerie projiziert wird.

Hitlers Hirn

Man wohnt also der Entstehung eines Films bei, jeder Abend verläuft irgendwie anders. Aber egal, ob Adolf Hitler und Eva Braun oder Max und Lucia: Der 77-Jährige lässt seinen Schmerbauch raushängen, die 34-Jährige agiert frivol, gemeinsam besorgen sie es sich ordentlich. In Hamburg beißt sie dem Führer das Gemächt ab, sie zermerschert dessen Kopf mit dem Baseballschläger und legt das Hirn frei. Mit dem Auswendiglernen hat es McCarthy nicht so, er begnügt sich gerne mit der Floskel „fuck you“. Stangenberg ist da schon variantenreicher: Das Vokabular reicht von „pervert prick“ und „asshole“ bis zu „I’m a whore“.

Verbrämt wird das vorgebliche Decouvrieren patriarchaler Muster und die Nachstellung des ach so romantischen Stockholm-Syndroms mit Theorien von Antonin Artaud und Marcel Duchamp. Man könnte aber auch sagen: Es werden lustvoll sexuelle Gewaltfantasien bedient. Und zwar hyperrealistisch (auch wenn die Körpersäfte aus Erdnussbutter und Ketchup bestehen). Das Volkstheater beteiligt sich an dem spekulativen Spektakel mit 120.000 Euro an Steuergeld.

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