Dänemark, ein Land ohne Rundfunkgebühr

Dunkle Schatten rund um das Hauptquartier des DR: Das Budget wurde gekürzt.
Interview. Der Öffentlich-Rechtliche wird aus dem Budget finanziert. Kein Erfolgsmodell, warnt Experte Lasse Jensen.

Kann man die ORF-Gebühr nicht einfach streichen? Bis die Regierung endlich eine Einigung über die geplante ORF-Reform vorlegt, wird uns diese Frage noch beschäftigen. Die FPÖ fordert ja sehr vehement, den Öffentlich-Rechtlichen aus dem Staatshaushalt zu finanzieren.

Anschauungsmaterial dafür, was das bedeutet, bietet unter anderem Dänemark. Unter ähnlichen politischen Vorzeichen wurde diese Gebührenabschaffung im Vorjahr beschlossen und wird nun Schritt für Schritt umgesetzt. Mit unerfreulichen Folgen, wie der frühere Informationsdirektor des DR (Danmarks Radio), Lasse Jensen, im KURIER-Interview sagt. Dabei zeigen sich erstaunliche Ähnlichkeiten zur hiesigen Debatte.

Dänemark, ein Land ohne Rundfunkgebühr

Der ehemalige dänische Informationsdirektor, Lasse Jensen.

KURIER: Herr Jensen, was ist an der dänischen Rundfunkfinanzierung jetzt konkret anders?

Lasse Jensen: Die Gebühren wurden durch Steuern ersetzt. DR hat außerdem 20 Prozent seines Budgets verloren. Beides wird über eine vier- bis fünfjährige Periode umgesetzt. Sie haben bereits 382 Mitarbeiter gefeuert. Das sind ungefähr 13 Prozent der Belegschaft.

Was haben die Kürzungen weiter zur Folge?

Abgesehen davon, dass fast 400 Leute gefeuert wurden, wurde angekündigt, dass ab nächstem Jänner die Zahl der Fernsehstationen halbiert wird – von sechs auf drei.

Sind die regionalen Studios auch betroffen?

Nein, die bekamen sogar ein bisschen mehr Geld. Die Radiokanäle werden dagegen von acht auf fünf reduziert. Das unmittelbare Ergebnis ist weniger Programm. Für DR ist das ein großer Rückschlag.

Die Gebühren abzuschaffen ist das eine. Warum hat man DR aber das Budget gekürzt?

Die zweitgrößte Partei in Dänemark ist die Danish Peoples Party, eine rechtspopulistische Anti-Zuwandererpartei im Stile der FPÖ. Sie sind seit langem sehr kritisch, was den DR angeht. Sie sagen, er sei linkslastig, elitär, hauptstadtzentriert…

...regionale Privilegien werden nicht angegriffen, rechte Parteien bekämpfen den Sender. Das sind erstaunlich viele Parallelen zu Österreich.

Die Danish Peoples Party sitzt zwar nicht in der Regierung, aber diese braucht ihre Stimmen im Parlament, was ihnen einen großen Hebel gibt. Sie haben einen Deal mit der Regierung gemacht: „Wir stimmen dem Steuermodell zu, aber wir wollen 20 Prozent Reduktion.“

Um den DR zu schwächen?

Definitiv. Offiziell hieß es, man wolle die Balance zwischen staatlichen und privaten Medien verbessern. Die beiden staatlichen Fernsehsender haben 70 Prozent des Marktes. DR Radio hat fast 70 Prozent Marktanteil. Der Effekt war aber nicht, dass der private Sektor stärker wurde, sondern der öffentlich-rechtliche schwächer.

Wo spürt man die Einschnitte am stärksten?

Beim Programm in dänischer Sprache. Das ist bei Weitem am teuersten zu produzieren (Anm.: In Skandinavien werden US-Filme zumeist untertitelt und nicht synchronisiert). Leichte Unterhaltung wie die dänische Version von „X-Factor“ wird ebenfalls betroffen sein. Die Regierung will mehr „klassischen“ öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wobei es schwierig ist, das zu definieren. Unterhaltung wurde in der Priorität herabgestuft.

Aber ist das für öffentlich-rechtlichen Rundfunk schlecht?

Ich persönlich glaube schon. Man muss einen Mix aus breiter Unterhaltung haben. Das Problem ist dabei auch: Man kann viel ausländisches Programm einsparen, aber wirtschaftlich macht das nicht viel aus, weil die Lizenzen vergleichsweise günstig sind. Die Kürzungen werden bei Eigenproduktionen anfallen.

An wen muss sich die Führung von „DR“ in Hinkunft wenden, wenn einst mehr Geld gebraucht wird, weil die Löhne steigen oder die Inflation abgeglichen werden muss?

An die Regierungsmehrheit, die jeweils an der Macht ist. Es ist eine politische Entscheidung.

Der Rundfunk wäre also gut beraten, sich wohl zu verhalten.

(Lacht.) Ziehen Sie ihre eigenen Schlüsse.

Sie loben das schwedische System, das auch Steuern statt Gebühren vorsieht. Worin unterscheidet es sich vom dänischen? Ab Jänner wurden dort ebenfalls die Gebühren abgeschafft. Aber sie sagten nicht, dass die Finanzierung aus dem Budget kommen solle. Es gibt eine eigene Steuer, eine Art Haushaltsabgabe, die zweckgebunden ist: Das Gesetz sieht vor, dass das Geld nur für öffentlich-rechtlichen Rundfunk verwendet werden kann. Und es darf für acht Jahre nicht verändert werden. Außer, um die Inflation anzupassen. Die Schweden haben auch eine Kommission aufgesetzt, die herausfinden soll, ob die Unabhängigkeit des Rundfunks ausreichend geschützt ist oder es hier mehr Absicherung braucht. Wenn die Kommission befindet, dass der Rundfunk mehr Schutz vor politischem Druck braucht, müssen sie entsprechende Gesetzesvorschläge machen.

Bisher zahlte man in Dänemark eine mit der österreichischen GIS vergleichbare Summe von grob rund 300 Euro pro Jahr. Wie hoch ist die neue Steuer pro Person oder Haushalt? Kann man das mit der bisherigen Gebühr vergleichen? Es ist eine sehr komplizierte Steuer. Es wird ein bisschen billiger. Grundsätzlich halte ich Steuern für sinnvoll. Wenn ich eine Gebühr für etwas bezahle, dass ich nicht nutze, frage ich mich, wofür ich das eigentlich mache. Ein 19-Jähriger, der 300 Euro im Jahr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlt, aber nur Netflix schaut, wird das nicht einsehen. Psychologisch ist das ein Vorteil. In Dänemarkt gibt es eine Medienabgabe, etwa für Smartphones. Viele Leute streamen heutzutage ihr Fernsehen: Das hat ein bisschen zur Debatte beitgetragen. Vor allem bei den Jungen.

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