Wie halten Sie sich in Form?
Immer wieder die Texte durchgehen, Social Media verfolgen, YouTube schauen, Kopf freihalten, andere Projekte aufschieben, auf Spannung bleiben.
Ihr erstes Soloprogramm hat den Titel „Unterhaltung mit Haltung“. Wie geht Unterhaltung mit Haltung?
„Unterhaltung mit Haltung“ ist ein sagenhaft überstrapaziertes Klischee aus dem Kulturjournalismus (ähnlich wie „dem Publikum einen Spiegel vorhalten“ und „das Lachen bleibt einem im Halse stecken“). Haltung ist, wenn man sie hat und nicht heraushängen lässt. Haltung ist: Geld an die Caritas spenden und dann den Erlagschein nicht auf Facebook posten.
Was ist der Inhalt Ihres ersten Soloprogramms?
Es geht um einen grantelnden Wiener Anfang 50. Soll heißen: Ich spiele mich selbst. Es geht um die Tatsache, dass die Welt zu 99,9 Prozent aus Energie besteht, was zum Beispiel erklärt, warum im Supermarkt keine zweite Kassa aufgesperrt wird. Es geht um dem Alltag, um Philosophie, den Versuch, das Leben zu erklären – im Wissen, dass das ja gar nicht geht.
Das mit der Supermarktkassa verstehe ich nicht…
Deswegen sollten Sie auch ins Programm kommen. Aber gut: Wenn 99,9 Prozent Energie ist (Teilchen und Wellen). Man weiß aber nicht, ob sie sich wie Teilchen oder Wellen verhalten, bis man sie beobachtet (siehe Schrödingers Katze). Das heißt: Man weiß nicht, ob eine Supermarktschlange lange oder kurz wird, bis man sich anstellt. Stimmt natürlich so nicht. Ist aber ein schöner Gedanke.
Ist das Programm eine Art Anleitung zur Selbsthilfe?
Möglich. Ich probiere einfach gerne Dinge aus. Auch Denkweisen, die nicht unbedingt naheliegend sind. Das ist sowohl die Definition von Humor als auch von Hilfe.
Normalerweise testet man sein Programm, den Inhalt, die Witze bei Vorpremieren am Publikum aus. Da auch das nicht möglich ist/war, ist das Ganze ein ziemlicher Blindflug, oder?
Ja. Und deshalb habe ich im Lockdown immer wieder Videos gepostet, da merkt man schon, was ankommt. Ich bin aber auch etwas stur und mache oft auch nur das, was ich interessant finde. Und nicht zwingend das, was am meisten Zuspruch bekommt.
Wer stand Ihnen beratend zur Seite?
Die Einflüsse des Programms reichen von Altertumsdokus über bayrisches Kabarett, Kochvideos bis hin zu Quantenphysik. Ratgeber und Versuchskaninchen sind meine Freunde. Ich kommuniziere ja mit Menschen, und da spüre ich, was mich berührt. Meine Haltung ist - wenn man so will – Florett und nicht Bihänder. Und: es heißt ja „Kleinkunst“, nicht „Kleinpointen“.
Aktuell gestalten Sie wöchentlich einen Podcast mit Michael Gaissmaier. Er heißt „Wien echt“. Gibt es so etwas wie einen inhaltlichen Schwerpunkt, ein sich durchziehendes Thema. Oder plaudert ihr einfach drauflos?
Wir haben jedes Mal ein Oberthema und plaudern dann drauflos. Wir kennen einander seit Jahrzehnten und sind darin geübt, andere mit unseren Gesprächen zu vertreiben. Dass das anderen Freude macht, freut mich.
Hat der Podcast ein Ablaufdatum?
Wahrscheinlich. Es kündigt sich gefühlsmäßig aber nicht an.
Nervt Sie das ständige Lustigsein manchmal?
Ich habe nicht den Anspruch, ständig lustig zu sein – und ich bin es auch nicht. Zumindest nicht freiwillig. Ich grinse lieber süffisant, als zu brüllen.
Warum ausgerechnet jetzt solo?
Weil es so ziemlich die letzte Konstellation ist, die ich noch nicht ausprobiert habe, und weil ich sehr neugierig bin. Außerdem will ich nicht mehr die Frage beantworten, warum ich kein Soloprogramm mache.
Ihr „Projekt X“-Partner Herbert Knötzl ist diesmal nicht an Ihrer Seite. Wie groß ist der Verlust?
Ich leide wie ein Hund. Er wahrscheinlich auch. Andrerseits: Er geht auch meistens ohne mich ins Büro.
Werden Sie für das aktuelle Auftrittsverbot entschädigt?
Haha, genau… (wischt sich Lachtränen aus dem Gesicht). Sie sind gut. Also: Wenn man als Schauspieler gleichzeitig Veranstalter und/oder Skiliftbetreiber ist, dann ja. Aber sonst ... (lacht).
Humor kann ja vielfältig ausfallen. Wie würden Sie Ihren Humor beschreiben?
Lachen sieht nicht zufällig wie Weinen aus. Mir wurde schon im Alter von fünf Jahren bescheinigt, ich sei ein lustiger alter Mann.
Zur Person
Clemens Haipl, geboren 1969 in Wien, ist Kabarettist (zuletzt: „2 sind nicht zu bremsen“ mit Herbert Knötzl), Autor, Musiker (Heirstyle u. a.), Musikproduzent und ROMY-Preisträger (u. a. für „Sendung ohne Namen“ und „Projekt X“). Die spielfreie Zeit nutzt Clemens Haipl für neue Projekte: Der 51-Jährige „klimpert“ gerade etwas auf Sequenzer-Programmen herum, wie er sagt. Und auch als Autor ist er produktiv: „Schreibtechnisch habe ich gerade einen TV-Piloten für ein Satireformat (mit u. a. Manuel Rubey, Eva Maria Marold, Gregor Seberg, Christoph Fritz) hinter mir. Sobald es einen Sendeplatz dafür gibt, werde ich weitere Folgen schreiben“, sagt Haipl. Die Premiere für sein erstes Soloprogramm „Unterhaltung mit Haltung“ wurde jetzt einmal auf März verschoben: Sie soll am 13. März im Wiener Kabarett Niedermair stattfinden. www.clemenshaipl.at
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