„Dead for a Dollar“ ist eine vergleichsweise kleine Produktion und wurde in nur knapp dreißig Tagen gedreht. Christoph Waltz spielt darin einen Kopfgeldjäger namens Max Borlund: Er wird beauftragt, die entführte Frau eines reichen Geschäftsmanns wieder einfangen und in den Hafen der Ehe zurückbringen. Allerdings stellt sich heraus, dass die Ehefrau – übrigens gespielt von der famosen Rachel Brosnahan, bekannt als „The Marvelous Mrs. Maisel“ – freiwillig mit ihrem Entführer durchgebrannt ist und wenig Lust hat, zu ihrem ruchlosen Gatten zurückzukehren.
Wer Christoph Waltz als sardonischen Nazi wie in „Inglourious Basterds“, maliziösen „Bond“-Bösewicht Blofeld oder exaltierten Revolverheld, wie in „Django Unchained“ in Erinnerung hat wie in „Django Unchained“ in Erinnerung hat, lernt einen anderen Waltz kennen. Unter Hills Regie legt Waltz seine üblichen Manierismen ab und zeigt sich von angenehm zurückhaltender Seite.
Mit Schnauzer im Drei-Tagesbart schreitet er breitbeinig und gemessen durch Walter Hills bernsteingetönte Bilder, versenkt ohne viel Federlesen seine Bleikugeln in die Leiber der Bösewichter und entwickelt sich durch seine überlegene Art zu einer Art moralischem Zentrum. Als Waltz’ großer Gegenspieler taucht Willem Defoe als Falschspieler und Pferdedieb auf: Die beiden Männer haben eine offene Rechnung – und die wird im blutigen Finale beglichen.
Walter Hill changiert in seinem theaterhaft inszenierten Western zwischen grandiosen Landschaftsbildern und extremen Nahaufnahmen. Es sind nicht mehr nur weiße Männer, die den Wilden Westen beherrschen, sondern auch Schwarze Protagonisten und furchtlose Frauen; sie alle können bestens mit der Waffe umgehen und müssen sich nicht mehr vom weißen Mann retten lassen, im Gegenteil: „Keine Sorge“, sagt ein schwarzer Soldat zum Kopfgeldjäger Borlund: „Wenn er dich umbringt, bring ich ihn um.“
Während Walter Hill mit „Dead for a Dollar“ zu seinem angestammten Filmgenre – dem Western – zurückkehrte, betritt Regisseurin Joanna Hogg mit ihrer neuen Arbeit „The Eternal Daughter“ unbekanntes Terrain. Die britische Filmemacherin, bekannt für ihre stark autobiografisch gefärbten Erinnerungsfilme wie „The Souvenir“, inszenierte ihren Wettbewerbsbeitrag im Bereich des Horrors.
Nebelschwaden wabern über den Gärten eines feudalen, englischen Landschlosses, das in ein Hotel umgewandelt wurde. Zwei Frauen – Mutter und Tochter – checken in den unheimlichen, alten Kasten ein und beziehen ein Zimmer.
Die Tochter ist längst eine erwachsene Frau, von Beruf Filmemacherin und wird gespielt von Tilda Swinton. Ihre Mutter, eine elegante alten Dame mit grauen Locken – wird ebenfalls gespielt von Tilda Swinton.
In ihrer Doppelrolle als Mutter und Tochter zeigt Swinton ihre gewohnt herausragende, darstellerische Souveränität. Ihr Spiel als besorgte Tochter ist nervös, unsicher und fahrig, während sie die Rolle der Mutter zwar offen, aber gleichzeitig auch distanziert verkörpert.
Die Mutter hat als Kind und junge Frau in dem alten Landsitz, der sich damals in Familienbesitz befand, viel Zeit verbracht. Die Rückkehr an diesen Ort der Jugend fördert traurige Erinnerungen zutage – an den Zweiten Weltkrieg, an den Verlust eines ungeborenen Kindes.
Nur zögerlich teilt sie ihre Erfahrungen mit der aufgewühlten Tochter. Man spürt das Bemühen der beiden Frauen, Nähe herzustellen, ihre Emotionen zu zeigen und daran auch immer wieder zu scheitern. Gespenstische Geräusche im Hotel wie knarrende Türen verstärken die seltsame Geisterhaftigkeit der fragilen Mutter-Tochter-Beziehung: Sie wird von Joanna Hogg als eine von Schuldgefühlen geprägte, intime Geschichte einer Annäherung erzählt – und als schmerzhafter Abschied.
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