Christian Löffler: Ich habe mir das ganze Material, die digitalisierten Aufnahmen der alten Schellacks auf meinen Computer geladen und das alles zufällig durchlaufen lassen – ohne darauf zu achten, welcher Komponist dahinter steckt. Ich habe dabei Momente notiert, die mich berührt haben. Diesen Vorgang habe ich am nächsten Tag wiederholt. Das, was dabei wirklich hängen geblieben ist, habe ich dann für meine weitere Arbeit ausgewählt.
Wie sahen die weiteren Arbeitsschritte aus?
Die mir zur Verfügung gestellten Audiospuren beinhalten keine Einzelaufnahmen von den Streichern und Bläsern. Es sind Aufnahmen vom gesamten Orchester. Das hat die Bearbeitung natürlich deutlich erschwert. Ich musste daher Momente finden, die etwas ruhiger sind. Oder Momente, in denen gerade nicht so viel passiert, in denen man noch etwas hinzufügen kann. Insgesamt habe ich sieben Monate daran gearbeitet. In dieser Zeit habe ich aber nicht nur die Musik produziert, sondern auch Fotos gemacht, die nun Teil des Artwork sind.
Mit wie viel Ehrfurcht nähert man sich den musikalischen Meisterwerken von unter anderem Bach und Smetana?
Man geht natürlich respektvoll mit den Werken um, muss aber auch bereit sein, sie zu verändern. Man will den Stücken ja seinen Stempel aufdrücken, etwas Eigenes und Neues daraus machen. Ich wollte ein stimmiges, ein für sich stehendes Album abliefern. Dafür musste ich aber erst herausfinden, was gut mit meinem Stil, meiner Musik harmoniert, wo ich was hinzufügen und weglassen kann.
Mit welchen Komponisten harmoniert Ihre Musik am besten?
Ludwig van Beethovens „6. Sinfonie“, auch „Pastorale“ genannt, harmoniert zum Beispiel sehr gut mit meiner eigenen Musik. Bei anderen Stücken und Komponisten ist mir das nicht so einfach von der Hand gegangen. Ich habe nach ruhigen, minimalistischen Passagen gesucht, die zu meiner Musik, die ich als atmosphärisch und melancholisch umschreibe, passen. Wobei ich das Wort melancholisch eigentlich nicht mag. Sagen wir besser nachdenklich dazu.
Wie viele Berührungspunkte mit klassischer Musik hatten Sie vor dem Projekt?
Die Musik von Chopin habe ich davor immer wieder mal gehört. Von den anderen Komponisten kenne ich zwar die bekanntesten Werke, aber als Klassik-Kenner würde ich mich nicht bezeichnen. Ich habe mich vor diesem Projekt auch nie intensiv mit dieser Musik auseinandergesetzt. Aber ich bin jetzt auf den Geschmack gekommen. Für mich hat das Projekt viele neue Türen geöffnet.
Zwischen den einzelnen Soundspuren schimmert immer wieder die Natur durch. Wie wichtig ist Ihnen der Einfluss von Flora und Fauna?
Ich lebe direkt an der Ostsee, kann von hier aus direkt entlang der Küste, im Wald spazieren gehen. Das inspiriert mich, das prägt meine Kunst. Ich verarbeite ja ganz viel Natur in meiner Musik: Es sind Aufnahmen von Bäumen im Wind, das Rascheln des Laubs und natürlich der Sound des Meeres. Die Flora schwingt eigentlich immer in meiner Musik mit – auch in diesen Stücken: Meine Field-Recordings dienen oft als Fläche, als Klangteppich im Hintergrund.
CD-Kritik „Parallels“ von Christian Löffler
Christian Löffler verwebt in seinem Beitrag für die vom Klassik-Label Deutsche Grammophon ins Leben gerufene Reihe „Shellac Reworks“ die Tonsprache von sechs Komponisten (Bach, Beethoven, Chopin, Wagner, Smetana und Bizet) zu einem neuen Klangerlebnis. Im Zentrum des Albums „Parallels“ steht der Track „Pastoral“, der Beethovens 6. Sinfonie mit dem Beinamen „Pastorale“ in ein neues Soundkleid hüllt. Die daraus bekannte Melodie greift Löffler, der sich mit melodischen Deep-House-Klängen international einen Namen gemacht hat, behutsam auf und bereichert sie mit atmosphärisch-verhallten Synthesizersounds.
Gelungen ist auch seine Bearbeitung von Smetanas „Moldau“. Das sich anfangs zögerlich aufbauende Stück treibt die Streichermelodie mit einem minimalistischen Beat auf das offene Meer, von wo sie nach und nach wieder an den Strand zurückgespült werden. Schön. In den zehn Tracks startet Löffler einen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart und schafft damit eine zeitgenössische Übersetzung von Klassikern der Klassik. Das Album ist ein gelungener Beitrag dafür, wie man die Parallelwelten Musikclub und Opernhaus miteinander verschmelzen kann.
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