Niki de Saint Phalle war eine herausragende, international renommiere französisch-schweizerische Malerin und Bildhauerin der Moderne. Und ja, Saint Phalle mag vielleicht wie ein einfallsreicher Künstlername klingen, ist aber echt und stammt aus einem alten französischen Adelsgeschlecht väterlicherseits. Bis heute ist sie berühmt für ihre bunten, voluminösen Frauenskulpturen, die sogenannten „Nana“-Figuren, wie auch für ihre Technik, mit dem Gewehr auf ihre eigenen Bilder zu schießen.
All das sieht man übrigens in Céline Sallettes ausdrucksstarkem Bio-Pic „Niki de Saint Phalle“ (derzeit im Kino) nicht – oder nur sehr angedeutet. Denn die Rechteinhaber verweigerten die Erlaubnis, die Kunstwerke zu verwenden.
Einen Film über eine Künstlerin zu machen, deren Arbeiten man nicht herzeigen darf – ist das nicht schwierig?
„Nein, das macht Spaß“, sagt die Regisseurin amüsiert. „Die Regel lautet: Du kannst nicht die Kraft von Niki hernehmen und sie als die deine ausgeben. Das ist in Ordnung. Ich zolle ihr also mit meinen eigenen Bildern und meinen eigenen Tönen Tribut.“
Ein weiterer Coup gelang Céline Sallette mit der Besetzung der Titelrolle: Die Kanadierin Charlotte Le Bon – Serienjunkies können sie derzeit in der neuen Staffel „The White Lotus“ bewundern – ist nicht nur eine hervorragende Schauspielerin, sondern sieht Niki de Saint Phalle auch noch frappant ähnlich. „Ist diese Ähnlichkeit nicht geradezu verrückt?“, freut sich Sallette: „Es ist wie eine Bestimmung. Charlotte ist so eine talentierte und intelligente Frau – und sie ist auch selbst Künstlerin. Die Arbeit mit ihr war wunderbar.“
Sallette ließ sich vor allem von Niki de Saint Phalles Autobiografie „Harry und ich: Die Familienjahre 1950–1960“ inspirieren und rekapituliert deren schmerzhaften Werdegang zur Künstlerin. „Ich hatte zwei Bilder im Kopf – das erste und das letzte Bild meines Films. Und dazwischen erzähle ich die Transformation dieser Frau.“
Im ersten Bild sieht man das Gesicht einer schönen Frau, die für eine Nobelmarke Modell steht – oder, wie Sallette es ausdrückt: „Man sieht das Bild einer Frau, die zum Schweigen gebracht wird.“
Zu diesem Zeitpunkt ist Niki de Saint Phalle mit ihrem amerikanischen Ehemann und ihrer kleinen Tochter gerade nach Frankreich zurückgekehrt und arbeitet als Model und Schauspielerin. Auf den ersten Blick deutet alles auf ein glückliches Familienleben hin, doch Niki quälen Panik- und Übelkeitsattacken. Sie wird in die Psychiatrie eingewiesen und entdeckt dort – trotz Elektroschocktherapie – ihre künstlerische Ausdruckskraft. Langsam kommt auch die Erinnerung an ein verdrängtes Trauma zurück: den langjährigen sexuellen Missbrauch durch ihren Vater.
„Mein Film erzählt die Zeitspanne, in der sie ihr Gedächtnis wieder bekommt und sich zu erinnern beginnt“, so die Regisseurin. „Ihr wird klar, was sie alles durchgemacht hat. Sie geht durch die Hölle, sie lernt, sie kehrt mit diesem Wissen zurück. Und mit der Kraft der Kunst wird ihr Leben besser.“
Und damit wären wir auch schon bei dem letzten Bild des Films: Niki de Saint Phalle hält ein Gewehr in der Hand und schießt auf ein Gemälde: „Ich wollte keinen niederschmetternden Film drehen“, sagt Céline Sallette: „Nikis Kunst ist leichtfüßig und unterhaltsam. Ich habe diesen Film für meine 13-jährige Tochter gemacht. Einfach und kraftvoll.“
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