Cecilia Bartoli: „Verrückt genug, dass ich dabei bin“

Cecilia Bartoli: „Verrückt genug, dass ich dabei bin“
Sie leitet ab Jänner die Oper in Monte-Carlo. Wie es dazu kam, ihre Pläne mit Jonas Kaufmann, ihr Plädoyer für gemeinsames Kulturerleben – ein Besuch bei der großen Sängerin

Auf der Bühne wird Cecilia Bartoli gefeiert wie keine andere Sängerin – jetzt übernimmt sie die Direktion eines Opernhauses. Wie geht sich das alles aus, mit ihrer Gesangskarriere, aber auch mit der Leitung der Salzburger Pfingstfestspiele? Der KURIER traf Bartoli als eines der ganz wenigen internationalen Medien an ihrer neuen Wirkungsstätte, in Monte-Carlo. Das traumhaft schöne Opernhaus aus dem Jahr 1878 ist Teil des weltberühmten Casinos.

KURIER: Operndirektorin Cecilia Bartoli – wie kommt es dazu?

Cecilia Bartoli: Die Idee kam von Jean-Louis Grenda, dem aktuellen Direktor. Er hört Ende dieses Jahres auf und hat gemeint, das wäre doch etwas für mich. Ich dachte, das würde sich zeitlich niemals ausgehen, neben meinem Job in Salzburg, der mir sehr wichtig ist. Aber dann hat er mich überzeugt, weil die Saison in Monte-Carlo viel kürzer ist als an anderen Opernhäusern. Sie beginnt jedes Jahr am 19. November, dem Nationalfeiertag, und dauert bis Mitte April. Das ist so kompakt, dass es mir sogar erlaubt, noch ein bisschen weiter zu singen (lacht).

Ihre Gesangskarriere geht also weiter? Das wird nicht nur Ihr Publikum in Salzburg, sondern auch in Wien freuen, wo Sie im Juli bei ihrem Operndebüt an der Staatsoper bejubelt wurden wie niemand seit Jahrzehnten.

Was da passiert ist, ist mit Worten nicht zu beschreiben. Das war wie der Ausbruch des Stromboli, obwohl Wien gar keinen Vulkan hat. Eine Explosion des Herzens, aus dem tiefsten Inneren. Ich bin so dankbar, das nach so vielen Jahren erleben zu dürfen.

Das Staatsopernpublikum hat lange auf Sie warten müssen.

Absolut, wahrscheinlich zu lange. Ich bin seit 35 Jahren Sängerin. Und wenn ich wieder etwas an der Wiener Staatsoper mache, wird das keine 35 Jahre mehr dauern.

Wo werden Sie künftig noch als Sängerin zu hören sein?

Mit Opernproduktionen primär in Salzburg und Monte-Carlo. Ich werde wie bisher kleine Tourneen in Europa machen, vielleicht einmal Revivals von Zürich. Aber ich mag es generell nicht zu fliegen, daher kommen weite Reisen nicht infrage. Ich helfe mit, den Planeten zu schützen.

Es gibt immer die Debatte: Soll an der Spitze eines Opernhauses ein Künstler oder ein Manager stehen. Was können Sie nun konkret beitragen?

Bestimmt meine Kenntnis von Musik, hoffentlich gute Besetzungen. Das Ziel ist immer höchste musikalische Qualität, gute Sänger zu engagieren, die es schaffen, Botschaften zu transportieren, Besucher mitfühlen und reflektieren zu lassen. Im Idealfall steht an der Spitze eines Opernhauses eine Person, die Künstlertum und Management-Fähigkeiten vereint. Ich war ja auch Managerin meiner Karriere – dafür braucht man durchaus ein paar Managementqualitäten.

Was haben Sie in Monte-Carlo konkret vor?

Dieses Theater ist ein Juwel, es hat nur 600 Plätze, aber so viele große Künstler sind hier aufgetreten, Caruso, Schaljapin, Gigli, Tebaldi, Melba. Dazu gibt es eine große Balletttradition, auch Diaghilev war in Monte-Carlo. Die Idee ist, Tradition mit Innovation zu verbinden. Dafür muss man manchmal auch zurückschauen. Wir starten daher am 20. Jänner mit Händels „Alcina“, ich singe die Titelrolle. Das ganze Repertoire von Händel, jenes der Renaissance, des Barock, wurde hier nie aufgeführt.

Sie sind auch noch in einer zweiten Produktion selbst zu hören: Sie bringen den Salzburger „Barbiere di Seviglia“ nach Monte-Carlo. Wie präsent müssen Sie selbst als Direktorin auf der Bühne sein

Im ersten Jahr wollte ich sehr präsent sein. Dass wir „Barbiere“ zeigen, war mir besonders wichtig, weil ich im Alter von 22 Jahren in diesem Werk erstmals in Monte-Carlo gesungen habe. Dazu wollte ich Künstler holen, die noch nie hier aufgetreten sind. Jonas Kaufmann kommt für eine neue Produktion als Andrea Chénier, Javier Camarena debütiert als Alfredo in „La Traviata“, die Wiener Staatsoper gastiert mit „Le nozze di Figaro“. Lauter Aufführungen, auf die ich sehr stolz bin.

Klingt spannend und luxuriös. Wie teuer sind die Karten im teuren Monte-Carlo?

Die teuersten kosten etwas mehr als 100 Euro, die meisten viel weniger. Wir bekommen Geld vom Fürstentum und von Sponsoren. Wir wollen unbedingt Oper für Menschen machen, die ganz normal in Monte-Carlo leben, die gibt es ja auch, nicht nur für Opern-Jetsetter.

Wie kamen Sie ausgerechnet auf Monte-Carlo?

Da muss man fast zehn Jahre zurückgehen, damals habe ich mich mit Katharina der Großen und dem Hof in St. Petersburg beschäftigt. Ich war fasziniert, wie viele Komponisten dorthin gingen, und was für ein tolles Orchester mit Musikern aus ganz Europa dort gespielt hat. Ich dachte mir: So etwas müsste man auch heute machen – ein Orchester an einem europäischen Hof. Da meinte Jean-Louis Grenda, er könnte das doch Fürst Albert und Prinzessin Caroline vorschlagen. Ich habe gemeint: Die Idee ist verrückt genug, dass ich dabei bin. Und es hat geklappt. So entstanden die Musiciens du Prince – Monaco. Und seither gibt es den engen Kontakt zu Monaco.

Wie sehen Sie die Lage des Genres Oper im Moment generell, nach der Covid-Krise, die nahtlos in einen Krieg, in eine Energiekrise und in hohe Inflation überging?

Oper existiert seit 400 Jahren, das ist also nicht die erste Krise, die sie durchmacht. Und warum existieren Oper und Kunst? Weil wir sie für unsere Seele brauchen. Musik gibt uns Energie und die Stärke zu überleben. Aber wir müssen mit aller Leidenschaft, mit aller Hingabe kämpfen, damit Oper noch weitere 400 Jahre überlebt.

Ist es nicht trotzdem die schwierigste Zeit für die Kunst seit Jahrzehnten?

Ja, vor allem Covid hat die Leute ängstlich gemacht. Aber das ist jetzt auch ein heiliger Moment, wir müssen Oper und Theater miteinander erleben. Wir kommunizieren zwar andauernd miteinander, mit dem Handy, aber da ist man nicht zusammen. Wir müssen gemeinsam lachen, weinen, fühlen. Die Technologie macht uns einsam, die Kunst bringt uns wieder zueinander. Wenn 2000 Besucher gleichzeitig etwas Starkes empfinden und den Atem anhalten, dann ist das ein Wunder, das nur Oper, Musik und Theater schaffen.

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