„Castor et Pollux“: Zum Happy End lässt Sellars eine Party steigen

Von: Helmut Christian Mayer
Castor und Pollux sind Zwillingsbrüder und in die gleiche Frau verliebt. Télaïre bevorzugt Castor, der jedoch ermordet wird. Pollux darf mit Erlaubnis seines Vaters, Jupiter, den Bruder aus der Unterwelt befreien, um ihn wieder mit Télaïre zu vereinen. Für Pollux beginnt ein Kampf zwischen seiner Loyalität zu Castor und seinem Verlangen.
Wie er es selbst gelobt hat, kehrt Castor nur für einen Tag in das Reich der Lebenden zurück und kann seine Geliebte wiedersehen. Vor dem neuerlichen Abschied zeigt jedoch Jupiter Erbarmen und erhebt die Brüder gemeinsam zum Sternbild der Zwillinge.
So die antike Geschichte „Castor et Pollux“, die Jean-Philippe Rameau in seiner dritten Oper vertonte und dessen Libretto von Pierre-Joseph Bernard stammt. Die Uraufführung der Tragédie en musique fand 1737 in Paris statt und wurde mit Spannung erwartet, da Rameau nach dem in der französischen Oper allgegenwärtigen, eher konservativen Jean-Baptiste Lully mit seinem für damalige Verhältnisse „gewagten, modernen Stil“ als Reformator galt.
Magische Stimmungen
Jetzt zeigt man das Werk in der ersten, längeren Fassung samt einem Prolog, die Anfang dieses Jahres schon erfolgreich in Paris aufgeführt wurde, bei den Salzburger Festspielen semikonzertant in der Felsenreitschule. Peter Sellars zeigt in seiner szenischen Einrichtung mit magischen Lichtstimmungen eine zurückhaltende Personenführung, bei welcher die überwiegend schmerzvollen Emotionen gekonnt über die Rampe kommen.
Agiert wird zwischen einer altmodischen Küchenzeile, Tisch, Sitzgarnitur und Bett und vor zur Handlung passenden Videos wie Lichter einer Großstadt, Sternenhimmel und Satellitenbilder von der Erde. Zum Happy End lässt Sellars eine ausgelassene Party steigen.
Erstklassiges Ensemble
Für die Realisierung der Musik mit reicher Harmonik, vielen Klangfarben und den zum Teil hochvirtuosen Gesangslinien sorgt ein erstklassiges Ensemble: Jeanine de Bique kann als Télaïre mit sanftesten, betörenden Piani und auch starken Gefühlen leuchtend punkten. Reinoud van Mechelen ist ein extrem leidender Castor mit tenoralem Glanz, Marc Mauillon ein Pollux mit hellem Bariton. Yulia Vakula ist eine furiose Phébé. Beeindruckend auch Nicholas Newton als Mars und als mächtig auftrumpfender Jupiter, Natalia Smirnova als Vénus, Laurence Kilsby als l’Amour und Oberpriester des Jupiter.

Eine Klasse für sich sind der spielfreudige und gestisch durchchoreografierte Utopia Chor sowie das groß besetzte Utopia Orchester unter Teodor Currentzis, der dieses zu spannendem Musizieren fordert. Dabei reizt er sowohl die Tempi wie auch die Dynamik wieder extrem aus. Jubelnde, stehende Ovationen! Helmut Christian Mayer
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