Karin Bergmann vor Bestellung als Interimsdirektorin

Eine Frau mit blonden, kurzen Haaren gestikuliert und spricht.
Kulturminister Josef Ostermayer dürfte erstmals eine Frau mit der Leitung des Burgtheaters betrauen.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Wiener Burgtheaters wurde ein Direktor fristlos entlassen.

Zum ersten Mal in der Geschichte des renommierten Hauses soll nun eine Frau mit der künstlerischen Leitung betraut werden.

KURIER-Informationen zufolge dürfte heute, Mittwoch, Karin Bergmann bis auf Weiteres als Direktorin bestellt werden. Parallel dazu erfolgt eine Ausschreibung des Postens für die Zeit ab 2015 oder 2016. Das Interregnum wird also zumindest ein, wahrscheinlicher zwei Jahre oder sogar noch länger dauern.

Prozedere

Zwei Männer in Anzügen stehen vor Flaggen.
epa04120184 Austrian culture Minister Josef Ostermayer (L) and Georg Springer, CEO of the Federal Theater Holding and head of the board of directors of Burgtheater, leave after giving a press conference in Vienna, Austria, 11 March 2014. Matthias Hartmann, the director of Vienna's Burgtheater has been discharged due to financial irregularities in the management of the theater. EPA/HERBERT NEUBAUER
Offiziell bestätigen will diese Personalentscheidung freilich niemand. Sie muss erst die zuständigen Gremien passieren. Der Vertrag war bis Dienstagnachmittag noch nicht unterschrieben. Dennoch wird schon heute vormittag die Präsentation erfolgen. Für die Morgenstunden ist eine Sitzung des Burgtheater-Aufsichtsrates geplant. Danach soll Karin Bergmann vor das Burgtheater-Ensemble treten. Erst dann kann Kulturminister Josef Ostermayer gemeinsam mit ihr an die Öffentlichkeit gehen.

Wenn alles glatt geht, ist dem Minister jedenfalls die denkbar beste Wahl innerhalb kurzer Zeit gelungen. Er hatte für Gespräche nur eine Woche Zeit. Vergangenen Dienstag war die fristlose Entlassung von Direktor Matthias Hartmann erfolgt.

Gespräche gab es auch mit Ensemble-Vertretern, mit dem Münchener Theatermacher Frank Baumbauer, der sich aber aufgrund der Kurzfristigkeit selbst für andere Lösungen ausgesprochen hatte, und mit Hermann Beil. Dieser war zuletzt als Favorit für die interimistische Leitung genannt worden, ist aber im Prinzip nur im Verein mit Claus Peymann denkbar, dessen engster Mitarbeiter er seit Jahrzehnten ist.

Biografie

Karin Bergmann (60) ist gebürtige Deutsche, kommt aus Recklinghausen, lebt seit den 1980er-Jahren in Wien, arbeitete am Burgtheater zunächst als Pressesprecherin und in weiterer Folge als Stellvertreterin von Hartmanns Vorgänger Klaus Bachler, der das Haus 1999 in der Nachfolge von Claus Peymann übernahm. Als Bachler in der Spielzeit 2008/2009 parallel zum Haus am Ring für eine Saison lang bereits die Leitung der Bayerischen Staatsoper München innehatte, führte Karin Bergmann teilweise das Tagesgeschäft, ohne diese Funktion aber offiziell zu bekleiden.

"Wir haben das Haus über zehn Jahre lang fast wie eine Person geführt. Daher passiert auch jetzt nichts im Haus, was nicht unser gemeinsamer Wunsch ist", sagte Bachler damals im KURIER-Interview. Und: "Selbstverständlich habe ich Karin Bergmann einen Teil meiner Gage abgetreten, das habe ich ja von Anfang an klargestellt, dass ich das tue, wenn ich mein Amt in München angetreten habe."

Für Aufsehen sorgte Bergmann unter anderem im November 2009, als sie demonstrierenden Studenten erlaubte, eine Vorstellung zu unterbrechen und ihr Anliegen auf der Bühne vorzutragen.

In Schauspielerkreisen genießt sie einen exzellenten Ruf. Zu ihren wichtigsten Aufgaben wird zählen, das Ensemble, das Hartmann gegenüber das Misstrauen ausgesprochen hatte, wieder zu einen, Teile von Hartmanns Plänen zu übernehmen, eigene Projekte zu verwirklichen und das Haus auch ökonomisch wieder fit für die Zukunft zu machen.

Der KURIER lässt die Burgtheater-Finanzaffäre um die entlassene Vizedirektorin Silvia Stantejsky Revue passieren – anhand ausgewählter Zitate:

Seit Langem warnen Manager vor einer finanziellen Unterdotierung des Burgtheaters. Eine von Wirtschaftsprüfern geforderte Veränderung bei den Abschreibungen für Produktionen hat die Lage seit der Saison 2011/’12 zugespitzt. Die Entwicklung im Rückblick:

April 2008: Silvia Stantejsky, seit 1980 Leiterin des Betriebsbüros, seit 1999 Prokuristin und Stellv. des kaufmännischen Geschäftsführers (GF) Drozda, wird kaufmännische GF des Burgtheaters. Den zusätzlichen Finanzbedarf beziffert sie mit 3 bis 3,5 Mio Euro.

April 2009: Bei seiner ersten Spielplan-PK erzählt Hartmann, in Zürich habe man ihn zuletzt vorwiegend nach Auslastung- und Budgetzahlen gefragt, was ihm "zum Hals raushängt". Die Beantwortung nach der finanziellen Lage des Hauses überlässt er Stantejsky.

Juni 2011: Aus der Effizienzanalyse der Bundestheater errechnet sich die Holding bis zu 14 Mio. Euro "Optimierungspotenzial".

Februar 2013: Stantejsky verzichtet auf neuerliche Bewerbung bei der Ausschreibung ihres Postens. Gleichzeitig wird bekannt, dass sie Stellvertreterin des künstlerischen Direktors wird.

März 2013: Bei der Bekanntgabe des Geschäftsberichts 2011/’12 sagt Holding-Chef Springer: "Der Tank ist leer."

April 2013: Hartmann befürchtet "Erstickungstod".

Mai 2013: Hartmann: "Der Tag, an dem es nicht mehr geht, ist bereits verstrichen."

November 2013: Eine Gebarungsprüfung der von Stantejsky verantworteten Geschäftsjahre deckt Ungereimtheiten auf, sie wird suspendiert, später fristlos entlassen.

Jänner 2014: Das Ensemble stellt sich auf Stantejskys Seite. Der Rechnungshof stellt "erhöhte Risikorelevanz" im Burgtheater fest und überlegt eine Prüfung.

Februar 2014: Wirtschaftsprüfer sehen "deutliche Indizien für gefälschte Belege und die Vorspiegelung falscher Tatsachen" durch Stantejsky. Laut Aufsichtsrat sei für 2012/’13 mit einem Bilanzverlust von "voraussichtlich" 8,3 Mio. Euro zu rechnen. Dazu könnten 5 Mio. Euro Steuernachzahlungen kommen.

10. März 2014: Matthias Hartmann gibt überraschend dem Ensemble und auch den Medien bekannt, seine Tätigkeit als Geschäftsführer bis zur vollständigen Klärung der Bilanzungereimtheiten ruhen lassen zu wollen.

11. März 2014: Hartmann wird von Kulturminister Josef Ostermayer unter anderem wegen "pflichtwidrigem Handeln" fristlos entlassen. Dagegen will der Ex-Burgtheaterdirektor klagen. Georg Springer bleibt weiterhin Geschäftsführer der Holding, zieht sich allerdings aus dem Aufsichtsrat zurück.

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