Burgtheater: Das Ende der Liebe im Schnelldurchlauf

„Und die Liebe höret nimmer auf.“ Diesen Satz hat Ödön von Horváth seinem Stück „Kasimir und Karoline“ vorangestellt. Dieses Motto ist natürlich zynisch gemeint, denn das Stück erzählt in erster Linie vom Aufhören der Liebe. Gleich in der dritten Szene wird die Liebe zwischen dem arbeitslos gewordenen Chauffeur Kasimir und seiner Verlobten Karoline mit den Worten „Habe mich gerne“ beendet.
Gut und böse
„Die Menschen sind weder gut noch böse. Allerdings werden sie durch unser heutiges wirtschaftliches System gezwungen, egoistischer zu sein, als sie es eigentlich wären, da sie doch schließlich vegetieren müssen“, so heißt es im Stück.
Die Handlung spielt auf dem Münchner Oktoberfest. Kasimir und Karoline bewundern den Zeppelin, damals ein technisches Wunderwerk. Sie träumen vom Fliegen. Für Karoline ist die Liebe Mittel zum Aufstieg. Sie lässt Kasimir zuerst für den Zuschneider Schürzinger stehen und diesen dann für dessen Chef, den Kommerzienrat Rauch. Als Kasimir sich bei ihr wegen seiner Eifersucht entschuldigen will, weist sie ihn kalt ab – sie hat jetzt höhere Ambitionen.
Ohne Pausen
Die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik, bekannt für ihren radikalen Zugriff auf Texte und Stücke, verdichtet „Kasimir und Karoline“ auf 80 Minuten. Sie tut dies, indem sie alle Pausen streicht, die normalerweise Horváth ausmachen: Seine Figuren gehen der Sprache verlustig, die Sätze fallen ihnen schief und krumm aus dem Mund, danach lauschen sie fast erschrocken dem nach, was sie gesagt haben.
Bei Koležnik wird im alkoholbetriebenen Chaos des Oktoberfestes vor allem durcheinandergeredet. Dass dabei Teile des Textes nicht mehr richtig zu verstehen sind, ist der Haupteinwand gegen diese brutale, aber sehr spannende Inszenierung.
Gespielt wird gleichzeitig auf zwei Ebenen (Bühne: Raimund Orfeo Voigt): Im Untergeschoß befindet sich eine deprimierend grüngraue Toilettenanlage, darüber sind eine Tankstelle und die Einsatzzentrale der Feuerwehr zu sehen. Eine Vergewaltigungsszene auf der Toilette gerät beklemmend, der Unfall mit dem Kabriolett geht dagegen in hysterischem Schreien unter.
Marie-Luise Stockinger spielt die Karoline, sie berührt als verzweifelt um Würde kämpfende Frau, die vom Aufsteig träumt und für die Männer doch nur Lustobjekt bleibt. Felix Rech spielt den Kasimir, der nicht verstehen kann, warum er plötzlich wertlos sein soll, ebenfalls sehr gut.
Jonas Hackmann ist ein interessanter, flexibler Krisengewinner Schürzinger. Markus Meyer und und Markus Hering liefern präzise Karikaturen alter, notgeiler Männer ab. Die Figuren des vorbestraften Bösewichts Merkel Franz (Christoph Luser) und seiner Erna (Mavie Hörbiger) huschen eher durchs Bild, als nachhaltigen Eindruck zu machen.

Hart
Fazit: So hart und aufs Nötigste verdichtet hat man Horváth noch nie gesehen. Ob Horváth in dieser Fassung noch Horváth ist, darüber kann man lange diskutieren. Dennoch – oder gerade deswegen – ist das ein hoch interessanter Theaterabend, der niemals kalt lässt.
Am Ende gab es vom Premierenpublikum Jubel und Bravos (und wenige Buhs) für Hauptdarsteller und Regisseurin, einige Zuschauer ergriffen still die Flucht.
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