"bumm tschak" in Bregenz: Wenn die Kanzlerin den Kopf verliert

Mehmet Ateşçi und Sarah Viktoria Frick als Horrorclowns, Stefanie Dvorak (Mitte) als „strenge tür“.
Von Susanne Zobl
Die Uraufführung von Ferdinand Schmalz’ düsterer Parabel über die Todesstrafe hätte ein starker Beginn für die Kooperation zwischen Bregenz und dem Burgtheater werden können. Sie bleibt aber bis auf Weiteres die Einzige, denn Kulturminister Andreas Babler strich den Festspielen ein Drittel der Subventionen.
Düstere Aussichten manifestieren sich auch im Stück. Die Geschichte des letzten Scharfrichters der Monarchie, inspirierte den Bachmannpreisträger 2017 zu einer finsteren Groteske. Josef Lang betrieb ein Kaffeehaus in Wien Simmering. Zu seinen Stammgästen zählte ein Henker, der einen Nachfolger suchte. Lang nahm an und erfand ein Tötungsgerät, das seine Opfer rasch aus dem Leben riss.
Schmalz verlegt die Handlung in eine unbestimmte Zukunft nach dem „großen Eingriff“. Ob sich dieser auf den Klimawandel oder die politischen Umwälzungen, die ein Land in einen totalitären Staat umwandeln, oder beides bezieht, lässt er offen und schafft damit eine umso größere Beklemmung. Eine Kanzlerin hat die Macht übernommen. Sie erklärt, dass es so nicht weitergehen kann und führt die Todesstrafe ein. Zum Scharfrichter ernennt sie Josef, den Betreiber des elitären Clubs zum Schafott.
Pandämonium
Burgdirektor Stefan Bachmann, der bereits Schmalz’ „jedermann“ zum Triumph geführt hatte, zeigt ein verstörendes Pandämonium. Olaf Altmann hat dafür ein ideales Ambiente geschaffen. Die schräge Gitterbühne wird von einer gigantischen Schafott-Klinge geteilt. Sie lässt sich in einen Club und in einen Todestrakt verwandeln.
Bachmann hat eine Hand für Schmalz’ Text. Der changiert brillant zwischen starken Rhythmen, die dem Geschehen Dynamik verleihen, und den populistischen Reden der Kanzlerin. Die Figuren zeigt er (in fantasievollen Kostümen von Adriana Braga Peretzki) als surreale Gestalten. Zwei Schergen treten als Horror-Clowns auf. Sie symbolisieren das Volk, das sich den Machthabern anpasst.
Josefs Freundin Flo wird festgenommen, weil sie die Kanzlerin mit Kunstblut attackiert hat. Josef kann sie befreien, wenn er das Amt des Scharfrichters übernimmt. Eine der stärksten Szenen spielt sich in der Strafvollzugsanstalt ab. Wenn Josef dort auf einen mystischen Strafvollzugsbeamten trifft, erinnert das an Kafka. Josef bricht den Bann, wenn er einen Delinquenten richtet. Am Ende wird auch die Kanzlerin enthauptet. Sie lebt vielleicht auch nach dem Verlust ihres Kopfes als Idee weiter.
Das Ensemble trägt den vielschichtigen Text mit Präzision. Max Simonischek zeigt Josef als eher unpolitischen Mann, der sich den Gegebenheiten fügt. Melanie Kretschmann verkörpert in glitzerndem, pinkem Overall die Kanzlerin – als Populistin, die über ihre eigene Radikalität staunt. Furios turnt Sarah Viktoria Frick als clownesker Scherge durchs Geschehen. Mehmet Ateşçi ist ihr ein guter Partner. Stefanie Dvorak hat als „strenge tür“ eine eindrucksvolle Showeinlage und überzeugt als dämonischer Beamter. Maresi Riegner agiert wie ein kleines Kraftwerk als aufständische Flo, die der Kanzlerin an Radikalität um nichts nachsteht. Stefan Wieland ist der abgründige Delinquent. Thiemo Strutzenberger komplettiert achtbar als „flamboyanza“, eine Symbolfigur fürs verängstigte Volk.
Starker Applaus und zurecht viele Bravos für den Autor. Am 4. 9. übersiedelt das Stück ans Akademietheater.
KURIER-Wertung: **** von *****
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