Wie der neue Chef der Bühne Baden einen weltweiten Musical-Hit nach NÖ holte

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Andreas Gergen startet mit „Wicked“ in seine Amtszeit. Im Interview erklärt er, wie es dazu kam, und warum er keine Oper spielen will.

Einen besseren Einstand gibt es wohl nicht: Andreas Gergen bringt als Auftakt seiner ersten Spielzeit als Chef der Bühne Baden das wohl heißeste Musical der Welt auf die Bühne. „Wicked“ (ab 3. 10.) war zuletzt ein riesiger Filmhit, der zweite Teil kommt noch heuer in die Kinos. Im KURIER-Gespräch zeigt sich Gergen selbst erfreut über den Coup - und erklärt, warum er bis auf weiteres keine Oper spielen will und warum man Operette ernst nehmen sollte.

Eigentlich, sagt Gergen, wollte er mit einem anderen Musical starten, das ging jedoch nicht. „Ich bin froh, dass ich in diese Lage gekommen bin, mir noch mal Gedanken machen zu müssen“, erzählt er mit einem Schmunzeln. „Denn ich habe mich dann eines alten Kontaktes erinnert. Ich habe 1999 in Berlin bei der Uraufführung von Disneys ,Der Glöckner von Notre Dame' mitgespielt und habe dort all diese Kreativen kennengelernt.“ Darunter: Steven Schwartz, den späteren Komponisten von „Wicked“. „Wir haben uns sehr gut verstanden, haben den Kontakt gehalten. Und dann habe ich ihm geschrieben, ob wir nicht ,Wicked' haben dürfen. Und er hat gesagt: Go for it.“

Nun hat aber der Komponist ja nicht alle Entscheidungsmacht. „Dazwischen lag dann noch ein gutes halbes Jahr Nervenkrieg und harte Verhandlungen mit dem Verlag und dem Original-Lizenzgeber“, sagt Gergen,d er am Mittwoch sein Programm im Stadttheater präsentierte. „Es gab sehr viele Abstimmungsprozesse!“ Gergen musste sein Regiekonzept in den USA einreichen - es wurde angenommen, und so „können wir unsere ganz eigene Version und Fassung auf die Bühne bringen“, freut sich Gergen. Man könne ihn Baden nicht den Aufwand einer Großproduktion betreiben - er konzentriere sich daher auf die Charaktere und knüpfe auch hier an die Weltgeschichte der 1930er an. „Diesen politischen Ansatz in diesem Stück zu sehen, hat den Amerikanern gut gefallen“, sagt er.

Aber „Wicked“ ist wohl schwierig zu besetzen - immerhin hat man da Ariana Grande und Cynthia Erivo aus der Verfilmung noch sehr im Kopf? „Ja!“, sagt Gergen. Auch die Besetzung musste mit den USA abgestimmt werden. „Wir haben eine tolle Besetzung gefunden!"

Nach dem fulminanten Auftakt wartet, natürlich, viel Arbeit. Die Bühne Baden stand zuletzt sehr im Fokus der niederösterreichischen Kulturpolitik, es wurde viel an der Ausrichtung gebastelt. „Für mich war dieser Prozess gar nicht so akut, weil ich wirklich genau wusste, was ich mit dem Haus vorhatte“, sagt Gergen. Er habe gewusst, dass er sich für die Leitung bewerben müssen, denn „hier wird musikalisches Unterhaltungstheater groß geschrieben“, sagt Gergen.
Ein wichtiges Format ist hier natürlich die Operette. Die hatte es lange Zeit schwer und sollte immer wieder mit mehr oder weniger gelungenen Ideen gerettet werden. Wie geht es ihr derzeit? Ich glaube, dass es zwischendurch Phasen gab, in denen man ein bisschen hilflos mit der Operette umgegangen ist“, sagt Gergen, „und in denen man versuchte, sich in abstrakte und verkopfte Konzepte zu retten, weil man den Geschichten nicht vertraut hat. Ich sehe mich als Regisseur und Theatermensch, als Geschichtenerzähler. Und ich habe den Regisseuren und in Zukunft auch Regisseurinnen, die ich mit den Operetten betraue, gepredigt, die Geschichten ernst zu nehmen.“
Gergen verweist auf den großen Bruch in der Geschichte dieser Kunstform: „Die große Zeit der Operetten-Entwicklung wurde ja Ende der 20er Jahre, Anfang der dreißiger Jahre komplett gestoppt“, sagt Gergen. Es wäre interessant, wie sich die Operette - die damals ja „witzig, frech, ironisch, auch sexy“ war - entwickelt hätte ohne diesen so großen wie tragischen Bruch in der NS-Zeit - diesem “Gedankenspiel“ will sich Gergen widmen.
Den KURIER-Einwand, dass die Operette auch bis heute darunter leidet, dass sie in der Nachkriegszeit verblödelt und glattgebügelt wurde, gesteht Gergen zu. „Man muss wieder dort anknüpfen, wo die Operette vor dem Zweiten Weltkrieg unterbrochen wurde“, sagt er. In seiner ersten Spielzeit bringt er die „Lustige Witwe“ (ab 7. November) und „Frau Luna“ (13. März 2026) auf die Bühne.
Auch die Sommerarena wird er mit Operetten bespielen - heuer gibt es zwar keine Sommerarena, aber 2026 soll „Der Vogelhändler“ kommen. „Mörbisch ist als Operettenstandort weggefallen“, sagt Gergen. Aber „eigentlich braucht Österreich neben Bad Ischl eine Operettenmetropole und einen Standort, an dem einem eine Operette im Sommer gezeigt wird, zu der man speziell anreist.“
Im Haupthaus zeigt Gergen im Rahmen der sieben Premieren auch „Sound of Music“ (ab 6. 2. 2026) mit Lukas Perman und Maya Hakvoort - und zwar jene Produktion, die er und sein Lebenspartner Christian Struppeck, Musicalchef der Vereinigten Bühnen Wien (VBW), 2011 am Salzburger Landestheater inszeniert haben. „Das hat an Aktualität nichts verloren“, sagt Gergen. Wird es auch Kooperationen mit Wien geben? Nein, da ist nichts geplant, sagt Gergen, der zuletzt das Falco-Musical „Rock Me Amadeus“ für die VBW inszenierte. „Wenn man sich ein Kooperationstheater sucht, muss das schon in größerer Entfernung liegen“, sagt er.

Was er nicht auf die Bühne bringt, ist Oper. „Ich liebe Oper und ich möchte es nicht ausschließen, dass im Laufe der nächsten Spielzeiten auch wieder Oper auf dem Spielplan erscheint“, sagt Gergen. Vorerst aber konzentriert er sich auf Musical und Operette. „Ich möchte das Profil des Hauses schärfen.“ Ein neu gegründetes junges Ensemble namens „Young Artists“ soll dem Nachwuchs eine Plattform bieten, etwa in „Songs for a New World“ (ab 31. Oktober im Max-Reinhardt-Foyer). 

Wie sieht er finanziell in die Zukunft (leere Kassen sind derzeit auf allen Ebenen ein Thema)? Baden sei jetzt schon überaus effizient, „am Knochen“ aufgestellt. „Mit weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann man ein Theater eigentlich nicht führen." Er sei „trotzdem auf alles vorbereitet, versuche entsprechend attraktive Spielpläne aufzustellen."

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