Yves Ravey: Beunruhigende Beziehungen

Eine Autobahntankstelle im trostlosen Nordosten Frankreichs. Tankstellenbesitzer Jean Seghers hat ein Insolvenzverfahren am Hals, eine Mutter, die ihn mit ihrem neuen Freund nervt, eine Frau, die er der Untreue verdächtigt und einen Mitarbeiter, dem er Geld schuldet. Die Schlinge um Seghers jämmerliches Dasein zieht sich immer enger. Wir sind Zeugen seiner paranoiden Selbstgespräche und werden als solche bald Mittäter dieses wohl nicht zu rettenden Ich-Erzählers. Doch „Die Abfindung“ hat am Ende noch eine Überraschung parat.

Yves Ravey:
„Die Abfindung“.
Übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller.
Liebeskind.
112 Seiten.
21,50 Euro
Man hat einen klassischen Film noir vor Augen, wenn man Yves Raveys beunruhigende Geschichten über Ehen und andere Lügenkonstrukte liest. Leise und eiskalt erzählt der 70-jährige ehemalige Lehrer, verwendet oft die Vergangenheitsform, was die Sache noch trockener macht, wie man seit Camus weiß („Heute ist Mama gestorben. Vielleicht auch gestern ... “). Zudem hat Ravey ein ausgesprochenes Talent für entrische Orte. „Die Abfindung“ spielt an der Autobahn, „Taormina“ führt, anstatt ins Urlaubsparadies, auf eine Baustelle im Niemandsland, wo Melvil und Luisa ihre Ehe wohl eher nicht retten werden. Ziemlich bösartig, diese Geschichte. 17 Romane hat der Franzose bereits geschrieben, auf Deutsch sind bisher vier erschienen. „Taormina“ wurde 2022 für die wichtigsten Literaturpreise Frankreichs nominiert. Mit oder ohne Preis: Ravey schreibt messerscharfe Kleinode.

Yves Ravey:
„Taormina“.
Übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller.
Liebeskind.
112 Seiten.
21,50 Euro