Houellebecq, die Einsamkeit und der Froschmann

Es beginnt dramatisch: Schriftstellerin Irène hat Wortfindungsstörungen und einen tauben Arm. In Erwartung eines Schlaganfalls kommt sie ins Spital, Neurologie. Dort gibt es zwar Entwarnung, aber die Diagnose Gehirnhautentzündung erfordert einen längeren Aufenthalt.
Die Wartezeit versucht sie sich erst mit dem Roman „Vernichten“ von Michel Houellebecq zu vertreiben, von dem sie besessen ist. Dann schließt sie ein Gesprächsbündnis mit einem anderen Patienten im grünen Bademantel, der in weiterer Folge der „Froschmann“ ist. Ihr erster Dialog ist noch ungelenk und endet mit des Froschmanns Daseinsbetrachtung „Ein Leben ohne Migräne wäre schön.“
Zu viel reden
Er erzählt Irène von seinen Ehefrauen, die ihm durch zu viel Rede- beziehungsweise Diskussionsbedarf auf die Nerven gegangen sind. Das kommt Irène aus ihrer eigenen Ehe bekannt vor. Von ihrem Leben erzählt sie dem Froschmann nur in gesungenen Versen. Und sie steckt ihm Briefe zu, die aber vielleicht an ihren verstorbenen Mann Johann gerichtet sind.
Die Sehnsucht nach einem (anderen) Leben mit ihm ist eins der Themen, das Irène beschäftigt, wenn sie nicht gerade ihre Houellebecq-Leidenschaft mit ihrem Übersetzer Colin diskutieren muss oder sie die Neugier über ihre junge muslimische Zimmernachbarin im Zaum halten muss.
Sylvie Schenk greift in ihren Büchern auf ihre eigene Biografie und die ihrer Familie zurück. Beim Bachmannpreis 2016 las sie aus „Schnell, dein Leben“, in dem sie ihre Ehe in der bleiernen Nachkriegszeit bereits verarbeitet hat.
In „In Erwartung eines Glücks“ (ein Zitat über Irenes Zustand unmittelbar bevor sie als junge Frau Johann kennengelernt hat) ist man sozusagen live dabei, wie Irène in all der Umgebungsmusik im Spital nicht nur ihre Zukunft rettet, sondern ihr nächstes Buch schreibt – einmal sagt sie Colin sogar, sie sei schon auf Seite 164 – das ist, genau, auf Seite 164. Das macht Schenk nicht mit langatmigen Experimentalismus, sondern mit Leichtigkeit, überraschender Sprache und humorvoller Nachdenklichkeit.
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