Nicola Lagioia: Zwei Bestien aus gutem Hause

Nicola Lagioia: Zwei Bestien aus gutem Hause
Nicola Lagioias Roman-Reportage „Stadt der Lebenden“ - auf den Spuren von Truman Capotes Tatsachenroman „Kaltblütig“

Dort, wo Pasolini seinen Mörder aufgegabelt hatte, bei den Ständen hinter der Piazza Repubblica, dort wollten Marco und Manuel jemanden finden, der zu allem bereit war. Doch der Tag brach bald an und sie fanden niemanden, auch nicht an der nahe gelegenen Piazza del Cinquecento, wo sich normalerweise zwischen den Pinien Italiener Nordafrikaner und Rumänen prostituierten.

Marco und Manuel waren seit unzähligen Stunden wach, sie waren high und sie wollten ihren sexuellen Perversionen nachgehen. (Lassen wir doch die ersten drei Buchstaben weg und nennen wir es „Versionen“ des Lebens, würde der studierte PR-Berater Marco später altkluge Interviews aus dem Gefängnis geben.) Schließlich fanden sie jemanden, der gegen ein paar Euro was auch immer mit sich machen ließ. Der hübsche Luca, 23, immer knapp bei Kasse. Wodka, Koks, er zog sich aus. Es folgte ein unbeschreiblicher Gewaltexzess, der für Luca Varani tödlich endete.

Nicola Lagioia: Zwei Bestien aus gutem Hause

Nicola Lagioia:
„Die Stadt der Lebenden“.

Übersetzt von Verena von Koskull. btb.
508 Seiten. 25.70 €

KURIER-Wertung: 4 von 5 Sternen
 

Truman Capote

Man hat Nicola Lagioias Roman-Reportage „Stadt der Lebenden“ mit Truman Capotes Tatsachenroman „Kaltblütig“ verglichen. Minutiös begibt sich Lagioia darin auf die Fähre dessen, was im März 2016 in Rom geschah. Manuel Foffo, 29, und Marco Prato, 30, zwei junge Männer aus gutem Hause, quälten in einer Wohnung am Stadtrand von Rom den jungen Luca Varani stundenlang zu Tode. Mit Messerstichen und Hammerschlägen ermordeten sie ihn, danach schliefen sie neben der Leiche ein. Warum? Pure Gewaltlust.

Nicola Lagioia geht nicht nur der individuellen Spur des Verbrechens nach, sondern malt ein größeres Tableau der Scheußlichkeiten. Ohne das eigentliche Verbrechen abzuschwächen: Da ist auch noch das Rundherum. Der holländische Sextourist, der regelmäßig nach Rom kommt, um seine Pädophilie auszuleben, die besoffenen Jugendlichen, die immer wieder Buschauffeure zusammengeschlagen und insgesamt der ganze Dreck, in dem die Stadt versinkt.

Nicola Lagioia, geboren 1973 in Bari, gehört zu den erfolgreichsten italienischen Autoren seiner Generation. „Die Stadt der Lebenden“ stand in Italien wochenlang auf der Bestsellerliste und wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Die römische Tourismusbehörde wird keine Freude damit gehabt haben.