Marco Missiroli: Dein Vater ist nicht der, für den du ihn hältst

Rimini in der Nebensaison. Sandro kommt nach Hause. Zu seinem Vater, der ihn scheinbar grundlos anruft, sich am Telefon räuspert, und dann nicht weiß, was er sagen soll. Der nachts mit seinem R5 in der Gegend herumfährt und nicht zu wissen scheint, wohin, und der immer noch die Kleider seiner verstorbenen Frau daheim aufbewahrt.
Sandro ist Werber, lebt in Mailand und kämpft mit seiner Spielsucht. Den Vater hält er für jemanden, der seine Träume nicht gelebt hat. Einen, der „gerne Gian Maria Volonté in einem Sergio-Leone-Film wäre und doch nur Massimo D’Alema ist“. Keiner, der zum Helden taugt. Statt seinen Traumberuf zu ergreifen, ging er einst zur Eisenbahn – ein sicherer Job, hieß es. Bis man ihn mit Fünfzig kündigte.
Ein patschertes Leben ortet der Junge beim Alten und fragt: Was hättest du anders gemacht, wenn du die Uhr zurückdrehen könntest? Eines Nachts folgt Sandro dem Vater auf seinen rätselhaften, scheinbar ziellosen Autofahrten und macht eine Entdeckung, die einiges verändert.
Der 1981 in Rimini geborene Autor und Journalist Marco Missiroli erzählt in „Alles haben“ knapp und unsentimental von der vorsichtigen Annäherung zweier Wortkarger, die einander doch viel zu sagen haben. Von Vätern, Söhnen und der Anmaßung der Jugend, zu glauben, sie wüsste alles oder auch nur etwas über die, die vor ihnen waren.

Marco Missiroli:
„Alles haben“
Übersetzt von
Esther Hansen.
Wagenbach.
171 S. 20,95