Jussi Adler-Olsen und der Krebs: "Ich hoffe noch auf zehn bis zwölf Jahre“

46-215674138
Bestsellerautor Jussi Adler-Olsen und seine neuen Co-Autorinnen Line Holm und Stine Bolther über ihre Zusammenarbeit, die Netflix-Verfilmung und seine unheilbare Krankheit.

Es gibt da so ein Foto aus dem Jahr 2021, darauf zu sehen sind Line Holm, Stine Bolther und Jussi Adler-Olsen. Letzerer sieht ganz entspannt aus, aber die Blicke der beiden Frauen sind in unterschiedlicher Intensität sehr entsetzt. Das, erzählt Holm, war circa der Moment, als der berühmte dänische Krimiautor sie bei einem Krimifestival keck gefragt hat: „Na, Lust auf eine Herausforderung?“ Er meinte damit, ob sie sich vorstellen können, seine Thrillerreihe um den Polizisten Carl Mørck weiterzuführen.

Eigentlich hätten die Geschichten des Sonderdezernats Q im Kellerbüro mit dem zehnten Band enden sollen. So war zumindest der ursprüngliche Plan von Jussi Adler-Olsen. Wann hat er sich dazu entschieden, doch weiterzumachen? „Ich gar nicht", erzählt er im Gespräch mit dem KURIER. "Die Verlage in Deutschland und Großbritannien haben gesagt, ist es wirklich notwendig, unseren größten Erfolg einfach abzudrehen? Da hab ich gesagt: Nein, ist es nicht. Aber dann müssen wir jemanden jüngeren finden, der besser schreibt und besser aussieht als ich.“

Details sind wichtig

Sobald die Autorinnen (sie haben eine eigene Krimireihe rund um Ermittlerin Maria Just) zugesagt hatten, ging es los. Sie erhielten Adler-Olsens gesamtes Archiv, mit den Hintergründen zu allen Figuren und nur einer Anweisung, die aber sehr nachdrücklich war: Auf gar keinen Fall jemand aus dem inneren Kreis der beliebten Hauptfiguren (Mørck, Assad, Rose, das Trio aus dem Kellerbüro) zu killen. Aber es sprach nichts dagegen, eine weitere Figur einzuführen, wie die neue Ermittlerin Helena Henry (ihr Nachname ist übrigens eine Hommage an „einen der vielen Vornamen, die Jussi hat“, so Line Holm).

Für Holm und Bolther bedeutete die „Übernahme“ ein intensives Studium von allen Mørck-Romanen: „Wir haben sie nicht nur mehrfach gelesen, sondern auch gehört. Um zu verinnerlichen, wie Jussi Wörter verwendet“, erzählt Stine Bolther. Und Line Holm ergänzt: „Wir haben zum Beispiel analysiert, wie es Jussi gelingt, dass Carl als so mürrischer Charakter doch so warm und liebenswert ist. Wir haben nachgelesen, wie Jussi Roses Aussehen genau beschrieben hat. Alle diese Details sind wichtig, denn Leser haben ein sehr gutes Gedächtnis.“ Sogar ein besseres als Adler-Olsen: „Ich kann mich längst nicht an alles erinnern, was ich geschrieben habe. Manchmal sagen Menschen etwa zu mir: ,Rose spricht Französisch’ und ich muss sagen: ,Oh, aha?’“

Der Plan war, dass Adler-Olsen sich zwar ein wenig zurückzieht, mehr Zeit mit der Familie verbringen und reisen kann, aber dass alle drei gemeinsam die Geschichte ersinnen und schreiben. Den Plot legten sie auch noch gemeinsam fest. Aber dann erkrankte Jussi Adler-Olsen Anfang 2024 schwer. Er leidet an unheilbarem Knochenmarkkrebs.

46-215674139

Neu auf Netflix: die Verfilmung von Jussi Adler-Olsens Roman "Erbarmen", "Department Q".

Eleganter Humor

Holm und Bolther waren über weite Strecken auf sich allein gestellt – und waren dementsprechend nervös, als Adler-Olsen ihr Manuskript zum ersten Mal gelesen hat. „Wir waren so unglaublich erleichtert, als er mit der flachen Hand auf die Seiten geklopft hat und gesagt hat: ,Das ist das echte Department Q‘“. Jussi Adler-Olsen macht seinen Co-Autorinnen noch ein Kompliment: „Humor ist ein wichtiger Teil in dieser Reihe. Ich war fasziniert, wie viel eleganter sie das gemacht haben. Besser als ich. Man hat jetzt praktisch auf jeder Seite etwas zu lachen. Danke dafür!“

46-215673150

Band 11 erscheint am 1. Oktober.

Schotten wie Dänen

Zum Videointerview schaltete sich Adler-Olsen aus London zu, er hatte dort die Premiere der Netflixserie „Department Q“ besucht. Wie findet er, dass Carl Mørck da in Edinburgh statt Kopenhagen ermittelt? „Das ist großartig, denn die Schotten sind genauso verrückt wie die Dänen. Man weiß nie, was die nächsten Jahre in Schottland bringen werden. Der einzige Nachteil ist, dass sie Schottisch sprechen, das verstehe ich so schlecht.“

Gesundheitlich geht es Jussi Adler-Olsen derzeit wieder besser. „Ich bin glücklich und mein Körper auch. Ich bin momentan in der besten Verfassung seit ich diese Krankheit habe. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich versuche zu kämpfen. Man kann mich nicht wieder heilmachen, aber ich hoffe auf zehn bis zwölf weitere Jahre. Und dann bin ich sowieso alt.“ Stine Bolther und Line Holm hoffen jedenfalls, dass er nicht nur beim nächsten Band wieder mehr mitarbeiten kann, sondern auch im Herbst gesund genug für eine Lesereise im deutschsprachigen Raum ist. „Alle glauben, ich werde dabei sein“, so Adler-Olsen. „Verrückte Leute.“

Kommentare