Jonathan Coe: Corona, Brexit und allerhand Kokolores
Die britische Sicht auf die Dinge, das Leben und die Welt im Großen und Ganzen ist eine eigene. Auch die auf Schokolade. Sie spielt im neuen Roman von Jonathan Coe eine nicht unwesentliche Rolle.
Denn Cadbury ist ein britischer Markenklassiker, benannt nach den Gründern der berühmten Schokoladenfirma, die neben einer Fabrik nahe Birmingham gleich ein ganzes Dorf für ihre Mitarbeiter bauten – Bournville.
Der Schokoladenkrieg
Dort lebt Mary Lamb, um die Autor Jonathan Coe seine 75 Jahre umfassende Familiensaga aufbaut. In sieben britischen Schlüsselereignissen erzählt er ihr Leben und das ihrer Familie. Vom Kriegsende 1945 bis zum Lockdown 2021. Dazwischen der Sieg bei der Fußball-WM 1966 (dass die deutsche Verwandtschaft gerade jetzt auftaucht, ist vielleicht zu klischeehaft) und der skurrile „Schokoladen-Krieg“ mit der EU.
Jonathan Coe:
„Bournville“
Übersetzung vn C. Hornung und J. Gräbener-Müller
Folio.
403 Seiten. 29 Euro
„Bournville“ erinnert an „Middle England“ (2020), in dem Coe sich mit dem Brexit auseinandersetzt, ebenfalls in einer Familie. Diesmal wird er auch persönlich. Die Figur der Mary, schreibt Coe, sei an seine Mutter angelehnt. Manche Figuren, etwa Marys jüngsten Sohn Peter, zeichnet er detailliert bis in ihre Gefühlswelten. Andere, wie Ehemann Geoffrey, bleiben seltsam farblos. In Summe gut ein komponierter Roman, trotz allerhand „Kokolores“, Marys Lieblingswort für Nebensächliches.