Von der Skandalfigur zur Nationalheiligen

Von der Skandalfigur zur Nationalheiligen
Die französische Literaturlegende Colette und ihr von Elisabeth Edl neu übersetzter Roman„Claudines Elternhaus“

Zunächst galt sie als frivole „Skandalautorin“, am Ende wurde sie geliebt, verehrt und ausgezeichnet: Sidonie Gabrielle Colette, 1873 im Burgund geboren, 1954 in Paris verstorben, war die erste Frau, die in die Académie Goncourt gewählt wurde. 1954 erhielt sie als erste Frau ein Staatsbegräbnis – eine Ehre, die nur die wenigen Größen wie etwa Victor Hugo zuteil wurde. In Paris ist nicht nur eine Straße, sondern auch ein Platz vor der Comédie-Française nach ihr benannt.

Colettes ab 1900 zunächst unter dem Namen ihres ersten Mannes erschienenen „Claudine“-Romane waren große Erfolge und lösten durch die Bühnenfassung einen regelrechten Hype aus. Colette war bald populäre Journalistin, Kolumnistin und Schriftstellerin, ausgezeichnet als „Grand Officier“ der französischen Ehrenlegion. Privat führte Colette ein bewegtes Leben. Sie galt als unkonventionell, äußerte sich kritisch über die Ehe, freimütig über Sex. Und sie schrieb über ältere Frauen mit jüngeren Liebhabern wie im Roman „Chéri“.

Claudines Elternhaus

Auch bei uns wurde Colette viel gelesen, sagt ihre Übersetzerin Elisabeth Edl. Sowohl in den 1920ern als auch nach dem Krieg, wo sie bei Zsolnay publiziert wurde. Später gab es auch bei Verlagen wie Rowohlt Ausgaben, allerdings in der Reihe Neue Frau. „Damit standen die Bücher sofort in einer bestimmten Ecke: Frauenliteratur. Galten also nicht besonders anspruchsvoll.“ „Mein Elternhaus“ und „Claudines Mädchenjahre“ waren frühere Titel jenes Romans, den Edl nun unter dem Namen „Claudines „Elternhaus“ neu übersetzt hat. Colette berichtet darin in Erinnerungsminiaturen vom Aufwachsen im burgundischen Dorf, von Gärten voll blühender Klematis, von der Katze Zoé die „irgendeinen Kater verdrosch“ und von der „erhabenen Langeweile“ im Jungmädchenzimmer. „Vom Vergnügen, durch die eigene Erinnerung zu spazieren“, hat Edl das von ihr verfasste Nachwort dazu genannt. Man darf ergänzen: Welch Vergnügen, daran lesend teilzunehmen. 

Von der Skandalfigur zur Nationalheiligen

Colette:
„Claudines Elternhaus“
Zsolnay.
Übersetzt von Elisabeth Edl.
176 Seiten.
25,50 Euro