Die vom französischen Erfinder Joseph-Marie Jacquard Anfang des 19. Jahrhunderts erfundene Apparatur ist ein Vorläufer jener Rechenmaschine, mit der Jancsi Jahre später die optimale Detonationshöhe der Atombombe berechnen wird, die 1945 über Nagasaki abgeworfen werden soll. Jancsi wird dann von Budapest in die USA emigriert sein, sich John von Neumann nennen und in Los Alamos im Rahmen des „Manhatten-Projekts“ in den in den 1940er-Jahren die Baupläne für den Universalrechner MANIAC (Mathematical Analyzer Numerical Integrator And Computer Model) entworfen haben. Mit dem Computer führt er auch erste Experimente mit selbstlernenden Programmen durch. Sie bilden die Grundlage dessen, was wir heute Künstliche Intelligenz nennen. Apokalypse und wissenschaftliche Kreativität liegen eng beieinander.
Figuren und Fakten
Der Mathematiker John von Neumann steht im Zentrum des jüngsten Buches des chilenischen Autors Benjamin Labatut. Wie bereits in „Das blinde Licht“ (2020), schreibt er auch in „Maniac“ historische Figuren und Fakten fiktiv weiter. Die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit verlaufen fließend. Die Personen, aus deren Perspektive der Weg von Neumanns vom Bankierssohn aus Budapest zum mathematischen Gehirn des US-Atombombenprogramms beschrieben wird, gab es wirklich. Sein Bruder Nicholas von Neumann, sein Freund, Eugene Wigner, der später den Physik-Nobelpreis erhalten wird, oder seine Frau, die Informatikerin Klara Dan. Sie zeichnen ein nuanciertes Bild des Wissenschafters zwischen Hybris und Erkenntnisdrang.
Maniac ist auch ein Zeitpanorama. Tradierte Weltbilder geraten durch Quantenmechanik und Relativitätstheorie aus den Fugen. Die Welt wird unberechenbarer. Der Physiker Paul Ehrenfest, dessen tragisches Ende am Beginn des Buches beschrieben wird, zerbricht auch daran. Den Abschluss des semi-fiktionalen Romans bildet das Go-Match zwischen dem koreanischen Großmeister Lee Sedol und dem Computerprogramm AlphaGo im Jahr 2019. Die Maschine weist den Menschen bei dem komplexen asiatischen Brettspiel in die Schranken.
Maniac ist ein auf vielen Ebenen großartiger Roman, der historische und wissenschaftliche Entwicklungen beleuchtet, keine einfachen Erklärungen liefert, aber viele Fragen aufwirft.