Anne Berest: Die Entdeckung des hässlichen Frankreich

Anne Berest: Die Entdeckung des hässlichen Frankreich
Die Pariser Journalistin Anne Berest über die erschütternde Geschichte ihrer jüdischen Familie

Das Wort Jude kommt ihr zum ersten Mal mit sechs unter. Fremde haben es an die Hausmauer geschrieben, samt Hakenkreuz. Im Jahr 1985. Erst, als sie selbst Mutter wird, beginnt sie, sich mit der Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Fragt nach, wie es war, als Tante und Onkel 1941 deportiert wurden, trotzig die Marseillaise singend – sie hatten doch alles für dieses Land gegeben, das sie nun verriet. Jahrzehnte später taucht eine Postkarte auf, die nichts enthält als die Namen der in Auschwitz Ermordeten. Anne Berest macht sich auf die Suche nach ihrem Verfasser und entdeckt ein hässliches Stück Frankreich. Ein Land der Kollaborateure und ein Land, das noch 1956 Alain Resnais’ Film „Nacht und Nebel“ über die Lager der Nationalsozialisten aus dem Programm von Cannes nahm, um die Aussöhnung mit den Deutschen nicht zu stören ...

Anne Berest: Die Entdeckung des hässlichen Frankreich

Anne Berest:
„Die Postkarte“
Übersetzt von Amelie Thoma und Michaela Meßner. Berlin Verlag.
544 S. 29,50 Euro

KURIER-Wertung: 5 von 5 Sternen

Die Pariser Journalistin Anne Berest ist bei uns für eine andere Art von Publikation bekannt, den Stilfragen-Bestseller „How to be Parisian“. „Die Postkarte“ hat mindestens so viel Erfolg verdient. Familien -und Weltgeschichte, spannend wie ein Thriller, obwohl man weiß, wie es für die meisten endet. Man hofft trotzdem. Und lernt viel: Berests Großmutter überlebte, war in der Résistance, ebenso wie ein gewisser Samuel Beckett, der Geheimdokumente zwischen den Seiten seines Manuskripts von „Murphy“ versteckte.