Bregenzer Festspiele: Die Musik versinkt in den Klamauk-Fluten

Große Oper, aber nur, was das Bühnenbild betrifft: „Der Freischütz“ auf der Seebühne.
Von: Susanne Zobl
Aus meteorologischer Sicht lässt sich von perfektem Timing sprechen. Der Regen hatte sich am Eröffnungsabend nach der Premiere von George Enescus „Œdipe“, die im Festspielhaus stattfand, ausgetobt. Die Wiederaufnahme der Seebühnen-Produktion, Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ (eigentlich müsste man sehr frei nach Carl Maria von Weber sagen) konnte bei guter Witterung absolviert werden.
Philipp Stölzl erzählt die Geschichte des Schreibers Max, der seine Geliebte Agathe nur nach einem gelungenen Probeschuss heiraten darf, als Horror-Märchen. Sein Konzept begeisterte auch in diesem Jahr das Premierenpublikum und füllt ungebrochen die bevorstehenden Vorstellungen.
Wer jedoch Wert auf die Musik dieser romantischen Oper legt, wird sich ärgern. Denn die Musik wurde in den Klamauk-Fluten ertränkt. Das ist umso unerfreulicher, weil in diesem Jahr ein Dirigent am Pult der sehr gut disponierten Wiener Symphoniker steht, der diese Musik zur Entfaltung bringen könnte, wenn man ihn ließe. Patrik Ringborg lässt Romantik pur spüren. Aber bereits die Ouvertüre wird zugunsten einer Moritat zusammengestutzt.
Im Zentrum steht Samiel, der Teufel. Er ist Moderator und zieht die Fäden. Zu Beginn tritt er als Pfarrer auf, der de
n Trauerzug von Agathas Beerdigung anführt. Denn Stölzl rollt die Geschichte von Max, der sich mit dem Teufel einlässt, vom Ende her auf, das er aber am Schluss revidiert. Der Regisseur schöpft aus dem Vollen von Hollywoods Show-Kiste.
Die Seebühne hat er in ein vom Dreißigjährigen Krieg devastiertes Dorf verwandelt und reiht einen Effekt an den nächsten. Wenn etwa Kilian seinen Rivalen Max verhöhnt, quält er ihn im Zweikampf auch noch mit Waterboarding. Ein Wasserballett, wie man es aus großen Revue-Filmen von einst kennt, erhellt das düstere Szenario. Der Geisterchor verkommt zum Zombie-Ball, den der Teufel auf einem Drachenkopf thronend dirigiert. Auch auf einem gigantischen Pferdeskelett darf er reiten.
Agathe liebt Ännchen
Die akrobatischen Leistungen des Samiel-Darstellers Moritz von Treuenfels sind weiterhin zirkusreif. Sein Geschwafel aber nervt. Wenn er sich während der zentralen Arien von Max, „Durch die Wälder, durch die Auen“ und Agahtes „Leise, leise, stille Weise“ über die Figuren lustig macht. Ännchens Ballade von Nero, dem Kettenhund, ist ganz gestrichen. Diese wird nur durch ein Hundegebell angedeutet. Zudem wird auch in die Handlung eingegriffen. Agathe ist von Max schwanger, erkennt aber, dass sie eigentlich ihre Freundin Ännchen liebt. Die beiden beschließen, ins nahe Zürich zu fliehen. Am Ende muss sich Agathe auch noch von Fürst Ottokar (Johannes Kammler) begrapschen lassen.
Was das Ensemble leistet, ist enorm. Denn alle müssen immer wieder sinnlos durch den See waten. Attilio Glaser stürzt sich mit Verve in die Rolle des Max und intoniert beherzt. Irina Simmes ist eine berührende Agathe. Katharina Ruckgaber und Franz Hawlata haben sich bereits im Vorjahr als Ännchen und Kuno bewährt. Oliver Zwarg ist ein solider Kaspar. Frederic Jost ergänzt achtbar als Eremit. Michael Borth setzt sich als Kilian beachtlich in Szene. Hervorzuheben sind der Prager Philharmonische Chor und der Bregenzer Festspielchor, die wie alle Beteiligten bejubelt werden.
KURIER-Wertung: 3,5 Sterne
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