Berliner Humboldt Forum wird eröffnet: "Basislager für Weltreise"

Humboldt Forum opens
Die digitale Eröffnung für das Museumsgroßprojekt erfolgt heute Mittwoch. Ein preußisches Gesamtensemble ist wieder komplett - mit teilweise umstrittenen Artefakten im Inneren.

Vor seiner digitalen Eröffnung hat die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters das Berliner Humboldt Forum als "eines der ambitioniertesten Kulturprojekte Europas" bezeichnet. Als Kulturprojekt neuen Typs, das interdisziplinär arbeiten solle, werde das Berliner Kulturzentrum "so etwas wie das Basislager für eine Weltreise sein", sagte die CDU-Politikerin dem Inforadio des RBB. Das Humboldt Forum soll am Mittwochabend (19.00 Uhr) coronabedingt zunächst nur digital eröffnet werden.

Nach sieben Jahren Bauzeit soll das 677 Millionen Euro teure Projekt hinter der teilweise rekonstruierten Barockfassade des Berliner Stadtschlosses in drei Etappen bis Ende 2021 eröffnet werden. Das Humboldt Forum nutzen künftig zwei Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Land Berlin und die Humboldt-Universität. Gezeigt werden sollen Exponate etwa aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins.

"Annäherung der Völker"

Grütters sprach vom "Geist der Brüder Humboldt", die Vorbilder und Vordenker dafür gewesen seien, "dem Fremden zu begegnen, ohne es abzuwehren oder abzuwerten". Das sei zukunftsweisend. "Diese Annäherung der Völker und das Ideal eines gleichberechtigten Dialogs, das klingt ein bisschen philosophisch, aber das ist die Idee dieses großartigen Projekts."

Auch die Geschichte der Kolonialzeit solle erzählt werden. "Das ist ein Kapitel, das wir bisher sträflich vernachlässigt haben. Ich bin froh, dass das Humboldt-Forum diese Debatte angestoßen hat", sagte Grütters. Auch die umstrittenen Benin-Bronzen würden "immer im Kontext mit der derzeit laufenden Debatte um Restitution" ausgestellt. Stücke, die aus Unrechtskontexten stammten, müssten zurückgegeben werden.

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Ministerin Monika Grütters

Ensemble wiederhergestellt

Für Fans preußischer Architektur ist damit ein Gesamtensemble wieder komplett. Alle Seiten des zentralen Lustgartens auf der berühmten Museumsinsel sind nun in Mauern des historischen Systems gefasst: das Zeughaus, heute Heimat des Deutschen Historischen Museums, wurde als Waffenarsenal des Militärs gebaut. Das Alte Museum steht für die umsorgten Künste, der Berliner Dom für die Einbindung von Kirche und Religion in das Herrschaftssystem. Die Fassade des einstigen Stadtschlosses der Hohenzollern markiert einen Machtanspruch weit jenseits demokratischer Strukturen.

Seit fast drei Jahrzehnten wird um den Ort gestritten, an dem aus einer Sumpfwiese ein Stadtteil erwuchs, Dominikaner ein Kloster errichteten, ein Renaissanceschloss als Vorläufer der späteren Barockversion stand. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs waren leichte Begründung für die DDR-Oberen, die Schlossruine 1950 zu sprengen. Als ähnlich vordergründig empfanden es zahlreiche Ostdeutsche, dass der in den 70er-Jahren errichtete Palast der Republik in der Nachwendezeit nach asbestbedingtem Rückbau völlig abgerissen wurde.

Für eine neue Bebauung sammelten Schlossfans im Lauf der Jahre rund 100 des inzwischen 677 Millionen Euro teuren Vorhabens. Der italienische Architekt Franco Stella baute damit barocke Fassaden an drei Außenseiten, im großen Schlüterhof sowie dem Portalteil des Foyers. Zwischen den Insignien preußischer Macht wie Kronen und Adler sind vereinzelt dunklere Stellen im Stein zu finden - die wenigen originalen Überreste des alten Schlossbaus.

Stellas moderne Ostfassade ist ob ihrer Eintönigkeit kaum weniger umstritten als die historisierenden Teile. Zumindest als Projektionsfläche nächtlicher Lichtshows hat sie sich bewährt.

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Hochmodern

Hinter der heftig kritisierten Hülle steckt ein hochmodernes Zentrum für Kunst, Kultur und Wissenschaft. Stella hat auf gut 40.000 Quadratmetern riesige Räume für das Humboldt Forum geschaffen. Was ohne Publikumsverkehr noch als Leere zwischen Grau, Beige und Weiß wirken mag, ist für Generalintendant Hartmut Dorgerloh die für das Gebäude notwendige Luft zum Atmen. Die eigentlichen Ausstellungsbereiche sind bis zu den im nächsten Jahr gestaffelten Eröffnungen noch verschlossen, viele deswegen zudem noch unfertig.

Im sperrigen Bau birgt auch die Konstruktion des Humboldt Forums mit vier Institutionen mächtig Zündstoff. Dorgerloh ist als Chef der Dachkonstruktion der Stiftung Humboldt Forum vor allem für Sonderausstellungen und Veranstaltungen zuständig. Daneben agieren weitgehend unabhängig zwei Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Land Berlin und die Humboldt-Universität.

Umstrittene Ethno-Objekte

So hat Dorgerloh auch kaum Einfluss auf die umstrittensten Objekte, die künftig zu sehen sein sollen. Das Ethnologische Museum verfügt über rund 530 historische Objekte aus dem Königreich Benin, darunter etwa 440 der sogenannte Benin-Bronzen, die weitgehend als Objekte aus Unrechtskontexten kolonialer Zeiten gelten. Deswegen sollen Umstände der Erwerbung genau dokumentiert werden. Bei Rückgaben sind Leerstellen in der Ausstellung vorgesehen.

Auch die Kolonialismusdebatte wird durch die historisierende Rekonstruktion belastet. In der Zeit der Hohenzollern wurde das Deutsche Reich zu einer wichtigen Kolonialmacht. Im heutigen Namibia wurden Aufstände von Volksgruppen unter deutschem Befehl brutal niedergeschlagen und etwa 75 000 Herero und Nama getötet.

Auf dem Dach des Humboldt Forums ist ebenfalls rekonstruiert, was von den Hohenzollern während der Revolution 1848 nachträglich auf den Schlossbau gesetzt wurde, um den Herrschaftsanspruch der Monarchie gegen demokratische Bestrebungen zu unterstreichen: Kreuz und Kuppel mit einem weithin sichtbaren Bibelspruch, mit dem die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum gefordert wird. Unter solchen Zeichen soll nun im Humboldt Forum mit Vertretern aus den betroffenen Herkunftsstaaten der Kolonialismus aufgearbeitet werden.

"Koloniales Raubgut"

Aus Sicht des Tübinger Professors Ernst Seidl negiert der Bau an diesem Ort die ambivalente Geschichte des 20. Jahrhunderts. "Die Präsentation kolonialen Raubgutes unter dem Kreuz und der Kuppel mit dieser Inschrift am zentralsten Ort des Landes sendet ein höchst katastrophales Bild Deutschlands in der Welt", sagt der Kunsthistoriker. Von den Verantwortlichen will kaum jemand von dem Spruch gewusst haben.

Bisher nur hinter vorgehaltener Hand werden Kontrapunkte auf dem Dach diskutiert, was für Seidl "unglaubliche Wirkung und Ausstrahlung" bräuchte, um mehr zu sein "als nur ein kleines Feigenblatt". Denkbar - und schon mal im Gespräch für das Humboldt Forum - wäre ein Kunstwerk, das der norwegische Künstler Lars Ramberg 2005 auf den Palast der Republik setzte. Sechs Meter hohe neonbeleuchtete Buchstaben bilden das Wort "ZWEIFEL".

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