So gesehen kommt der neue Film von Tom Tykwer wie gerufen, denn auch „Das Licht“ erzählt von einer großen Krise. Zwar liegt deren Epizentrum im Herzen einer deutschen, dysfunktionalen Familie, doch die Auswirkungen ziehen weite Kreise – bis hin nach Nairobi. Insofern möchte Tuttle Tykwers Film als die „Visitenkarte des Festivals“ verstanden wissen, weil er die „Herausforderungen der heutigen Welt“ in den Blick nimmt.
Und die heutige Welt ist zersplittert. Tykwers Kleinfamilie im verregneten Berlin gibt dazu ein plakatives Paradebeispiel ab: Der Vater – Lars Eidinger als Marketingstratege – fühlt sich in seiner Ehe im Stich gelassen. Nicolette Krebitz als seine Frau sucht Befriedigung in einem Entwicklungshilfeprojekt in Nairobi. Die Tochter stürzt sich in die Berliner Clubbing-Szene, der Sohn flüchtet in virtuelle Spielewelten. Als die Haushälterin verstirbt, übernimmt eine geflüchtete Frau aus Aleppo ihren Job. Ihre Anwesenheit lässt die schwelenden Krisen in offene Konflikte ausbrechen.
Der „Babylon Berlin“-Regisseur verknüpft die Schicksale seiner Figuren mithilfe eines unterhaltsamen Genre-Mixes und hält die Erzählstränge trotz langer 162 Minuten straff gespannt. Die Tagträume der frustrieren Eheleute machen sich in lustig-amateurhaften Musical-Einlagen Luft, ein kleiner Junge kanalisiert seine Liebe zur Popgruppe Queen in Manga-Animationen und der Sohn stellt sich vor, er sei ein Superheld mit Flugkräften. Auch Karl Markovics hat einen witzigen Auftritt als Ehemann, der sich über seine Scheidung freut.
Insgesamt ist der Tonfall aber durchwegs dramatisch: Tykwer konfrontiert seine deutschen Figuren, die ausschließlich um sich selbst kreisen, mit den Lebenswelten weniger privilegierter Menschen – etwa der Syrerin oder einem Ex-Lover aus Nairobi. Alle Menschen, so die nicht sehr subtile These, sind miteinander verbunden und sollten sich um Augenhöhe bemühen. Dann erst eröffnen sich Möglichkeiten der Heilung – für die Familie, für die Welt.
Heimatgrusel
In die Krise gerät auch die Hauptfigur im neuen Heimathorrorfilm „Welcome Home Baby“ von Andreas Prochaska („Das finstere Tal“), der als Eröffnungsfilm der Sektion Panorama Premiere feierte: Die patente Julia Franz Richter spielt eine Ärztin, die von ihrem Vater ein Haus in der österreichischen Provinz geerbt hat.
Eigentlich will sie das Anwesen sofort verkaufen, doch einmal dort, will ihr die Abreise nicht mehr gelingen. Die unheimlichen Dorfbewohnerinnen rücken ihr auf den Leib, der plötzlich schwanger wird. Prochaska ließ sich von Thrillern wie „Rosmaries Baby“ inspirieren und sorgt mithilfe der Grandes Dames der österreichischen Schauspielerinnenriege – von Gerti Drassl bis Inge Maux – für sanften Horror.
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