"Bergfried": Wenn der liebe Opa ein Massenmörder ist

Kaum ein anderer deutschsprachiger Schauspieler kann besser schweigen und damit gleichzeitig so viel sagen wie Peter Simonischek. Diese herausragende Fähigkeit des 70-Jährigen weiß auch der Regisseur Jo Baier zu schätzen, der Simonischek für seinen jüngsten TV-Film "Bergfried" gewinnen konnte. "Für mich war der Peter die erste Wahl. Und zum Glück hat es auch geklappt", sagt Jo Baier im KURIER-Interview.
Das Nachkriegsdrama, das am Mittwoch, den 21. September in ORF2 (20.15 Uhr) TV-Premiere hat, beruht auf wahren Begebenheiten, auf die Jo Baier im Italien-Urlaub gestoßen ist: "Ich kenne die Toskana gut, ich liebe die Landschaft und die Menschen, finde die kleine Stadt Lucca wunderschön. Als ich dann zum ersten Mal erfahren habe, dass die Deutschen und Österreicher beim Rückzug ein so umfangreiches Kriegsverbrechen ganz in der Nähe von Lucca begangen haben, war ich sehr erschüttert. Es hat mich schockiert, dass die Öffentlichkeit eigentlich überhaupt nichts davon wusste. Im Übrigen auch bis heute relativ wenig weiß."
500 Menschen wurden damals von SS-Soldaten im Kampf gegen italienische Partisanen umgebracht. Dieses Kriegsverbrechen diente Jo Baier als Ausgangspunkt für den Film "Bergfried", der 2015 im steirischen Bergdorf Pürgg gedreht wurde und den TV-Zuseher zurück in die 1980er-Jahre führt: Im Dorf-Gasthaus quartiert sich der Italiener Salvatore (Fabrizio Bucci) ein und beginnt den Einwohnern unangenehme Fragen zu stellen. Er fotografiert, betritt Häuser und verdreht Frauen den Kopf. Eine davon ist Erna (Katharina Haudum), zu der sich eine Liebesbeziehung entwickelt. Doch Erna ahnt nicht, was Salvatore wirklich in ihr Dorf führt – er sucht den Mann, der 1944 in seinem toskanischen Heimatdorf seine Mutter, Geschwister und Großeltern erschossen hat.

Verdrängung
Der Stockinger klammert einen Teil seines Lebens einfach aus. Niemand im Ort hat eine Ahnung davon, welche Verbrechen er im Zweiten Weltkrieg begannen hat. Außer Salvatore, der immer mehr Beweise im Dorf sammelt. Unterstützt wird er dabei von Frieda (Gisela Schneeberger), die mit den Dorfbewohnern noch eine Rechnung offen hat. Denn ihr Verlobter, ein Kommunist, wurde während der Nazizeit von der Dorfgemeinschaft verraten und in den Tod geschickt.
"Bergfried" verhandelt die in Österreich lange Zeit verdrängte und bis heute noch immer nicht vollständig aufgearbeitete NS-Zeit. Mit dieser Aufarbeitung wurde die deutsche Schauspielerin und Kabarettistin Gisela Schneeberger sehr früh konfrontiert. "Meine Mutter hat mir schon als Kind erzählt, dass sie lange Zeit eine glühende Hitler-Verehrerin war. Als sie dann von den ganzen Gräueltaten erfuhr, hat sie das dermaßen aufgewühlt, dass sie nach dem Krieg eine extrem politische Frau wurde. Das hatte natürlich auch Einfluss auf mich", sagt sie. Peter Simonischek bemängelt hingegen den damaligen Geschichtsunterricht: "Ich habe 1965 Matura gemacht. Im Geschichtsunterricht war die Nazi-Zeit überhaupt kein Thema. Es hat nach dem Ersten Weltkrieg aufgehört."
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