Sehr authentisch
Gaya ist nicht der erste Musiker, der durch einen Computer entstanden ist. In Japan sorgte bereits in den späten Zweitausendern die virtuelle Figur Miku Hatsune für Furore, in deren Namen schon etliche Tracks veröffentlicht wurden – zuletzt im Jahr 2023. Gaya hebt aber die Qualität der Illusion auf eine neue Stufe: Während sein fernöstliches Gegenstück noch deutlich erkennbar im Animestil gezeichnet ist und ihr Gesang sich erkennbar plastisch anhört, wirkt das Bremer Projekt nahezu echt.
Ben sei 25 Jahre alt, 1,85 Meter groß, geboren in Namibia, lebt sowohl in Berlin als auch Amsterdam, ist der deutschen, niederländischen und englischen Sprache mächtig, sein musikalisches Vorbild heißt Lady Gaga und er ist ledig. So stellt sich der KI-Sänger zumindest auf Social Media vor, denn Gayas Schöpfer wollten einen möglichst echt erscheinenden Musiker kreieren und scheuten in dieser Mission keine Anstrengungen. Man erdachte sogar eine Lebensgeschichte für die Figur. Wer einen Blick auf das Musikvideo wirft, merkt aber schnell einen Unterschied zwischen KI und echten Kameraaufnahmen.
Mängel erkennbar
Ganz allgemein wirkt der Clip eher wie eine sehr gute Animation, die Arbeit eines hervorragenden Teams aus der Zeichentrick- oder Videospielindustrie. Auffällig sind besonders Aufnahmen von seinem Spiel auf der Gitarre, Wasser oder Feuer: Bei genauer Betrachtung sind Bildfehler unübersehbar.
Des Weiteren ist die häufige Nutzung von Zeitlupenszenen unauthentisch. Generell scheint der Film näher an KI-generierten Clips, die so bereits zu Tausenden auf Youtube existieren, als einem professionell produzierten Musikvideo. Nicht zuletzt wirkt der Avatar optisch zu attraktiv für einen echten Menschen. Die musikalische Qualität ist dennoch bemerkenswert. Der Song für sich klingt täuschend echt und hätte so auch durch die Arbeit in einem Tonstudio entstehen können.
Grenzen sprengen
Das Ziel hinter dem Projekt ist laut den Designern Florian Schramberger und Leon Schröder der Versuch, neue Benchmarks im digitalen Marketing zu setzen und KI in allen ihren Facetten auszunutzen. In dieser Mission war man erfolgreich und hat nun Europas ersten, rein digitalen Sänger erschaffen. So berichten nun bereits Medien aus Peru, Finnland und Spanien über das Ben Gaya. Die Initiatoren selbst sehen ihre Rolle eher als die von Forschern. Es gehe nicht darum, unsere Spezies aus dem Kreativprozess zu eliminieren.
Für Agentur-Geschäftsführer Björn Schneider ist die KI zwar dazu in der Lage, dem Menschen unter die Arme zu greifen, aber es bleibt weiterhin die Mitarbeit realer Personen notwendig. Sein Geschäftspartner Florian Schramberger hält die genaue Bedeutung, die der KI in Zukunft gegeben wird, für entscheidend, welche Rolle die Technik zukünftig in Gesellschaft und Arbeitswelt spielen wird: „Das Wichtigste ist die Herangehensweise, wie man mit KI umgeht. Ich sehe es als Unterstützung und es wird auch nie einen Markt übernehmen. Es ist immer in Kombination mit dem Menschen.“
Tournee
In einem ist Miku Hatsune Ben Gaya noch einen Schritt voraus: Sie trat bereits mehrmals live auf – allerdings nur auf Videowalls. Die beiden Schöpfer des KI-Sängers denken aber intensiv darüber nach, ob sie Gaya nicht auch live auftreten lassen. Man müsse zwar noch einige Jahre daran arbeiten, ziehe aber in Betracht, den virtuellen Sänger per Hologramm auf die Bühne zu beamen.
Während ein derartiges Projekt gewagt klingt, kennen die meisten diese Technologie doch nur aus Science-Fiction-Filmen und -Serien wie „Star Wars“, stellt es zumindest kein vollkommenes Novum dar: 1971 erhielt der ungarische Ingenieur Dennis Gábor bereits den Physiknobelpreis für seine Arbeiten daran. In der Immobilienbranche wird schon lange damit gearbeitet. Auch die Musikindustrie hat Hologramme inzwischen für sich entdeckt – so spielte der Sänger Ben Olsen 2020 in London ein Konzert in Abwesenheit, Elvis und Tupac sind ebenso wieder für einzelne Shows auferstanden und die schwedische Pop-Band ABBA sind seit zwei Jahren täglich in der britischen Hauptstadt live zu erleben, aber eben nur in Form von Hologrammen.
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