Bartolis Triumph in der Trainingshose

Cecilia Bartoli als Iphigénie und Christopher Maltman als Oreste
Kritik: Cecilia Bartoli begeistert bei den Festspielen als Glucks "Iphigénie en Tauride".

An dieser Produktion ist nicht alles gelungen. So wirkt etwa die Regie von Moshe Leiser und Patrice Caurier äußerst unentschlossen: Während der Aufführung wird eine Atmosphäre in einem Betonbunker suggeriert und eine Geschichte, die entweder in einem Bürgerkrieg oder in einem Flüchtlingscamp spielt – ehe am Ende die Göttin Diana im güldenen Glanz erscheint und das Drama in den Kitsch abgleitet.

Insgesamt bietet dieser Abend aber fabelhaftes Musik-Theater mit Aktualitäts-Ansprüchen, Protagonisten, die als Sänger gleichermaßen intensiv agieren wie als Schauspieler sowie ein Musiker-Ensemble (I Barocchisti), das unter der Leitung von Diego Fasolis die Genialität von Gluck als Musikdramatiker glaubhaft nachzeichnet. In zartesten Pianissimi, dann mit kraftvollen Attacken, teilweise unterstützt von rotierenden Hubschraubern vom Band, ertönt das Meisterwerk im Haus für Mozart.

Undivenhaft göttlich

Allen voran sei aber wieder einmal Cecilia Bartoli gewürdigt, die römische Künstlerin, die sämtliche Schubladen sprengt und als Leiterin der Pfingstfestspielen auch dieses Jahr dem Sommerfestival mit der Übernahme ihrer Produktion einen großen Erfolg beschert. Bartoli singt vom ersten bis zum letzten Moment aufopfernd, die Frage, ob ihre Stimme groß genug für die Partie der Iphigénie ist, stellt sich angesichts der erreichten Intensität erst gar nicht. Und Bartoli spielt, mit kurzen Haaren und in der Trainingshose, beeindruckend die Schwester des Orest, den zu opfern sie nicht übers Herz bringt. Purer Schöngesang, ästhetisierte Optik ist längst nicht mehr ihr Ziel – ihre Darstellung ist auch in der Negation der Divenklischees göttlich.

Christopher Maltman ist dieser Orest, der am Ende völlig nackt, mit den Händen das Gemächt verhüllend, geopfert werden soll – aber er zieht nicht nur Blicke, sondern mit seinem prachtvollen, ausdrucksstarken Bariton auch alle Ohren auf sich.

Rolando Villazón ist neu in der Rolle des Pylade – er singt ebenso aufopfernd, als ginge es um sein Leben, durchaus kraftvoll in den Attacken, im Spiel sehr berührend. Michael Kraus ist profund als Thoas, eine Art Aufseher im Lager, Rebeca Olvera als Diana der ironische Kontrapunkt. Exzellent singen (vor allem) die Damen des Coro della Radiotelevisione Svizzera. Ein heftig bejubelter Abend, der Bartoli, die davor schon als Norma brilliert hatte, als eine zentrale Sängerin auch dieser Festspiele verankert.

KURIER-Wertung:

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