Bad Ischl und St. Pölten: „Die da oben erklären uns die Region“

Bad Ischl und St. Pölten: „Die da oben erklären uns die Region“
Trenklers Tratsch: Im Ausseerland überlegt man ein Gegenkulturhauptstadtprogramm - und die „Tangente“ bringt mehr vom Gleichen

Mit Elisabeth Schweeger, der Intendantin der Kulturhauptstadt Bad Ischl samt Salzkammergut, sind ja nicht alle zufrieden. Franz Thalhammer, Gründer der Band Rauhnacht, bringt es in der Alpenpost, der Plattform der Widerständigen, auf den Punkt. Viele Menschen hätten das Gefühl, dass ihnen „etwas übergestülpt“ werde: „Die da oben erklären uns unsere Region.“ Das komme naturgemäß nicht gut an.

Von einer gewissen Arroganz zeugt auch der Umgang mit jenen, die Ideen unterbreiteten. Die in Altaussee lebende Pianistin Ariane Haering (Alban Berg Ensemble) und ihr Mann, der Stradivari-Geiger Benjamin Schmid, hatten Konzerte, „prädestiniert für das Salzkammergut“, vorgeschlagen. Zurück kam „ein lapidares eMail“. Die Musiker können nicht verstehen, „warum so viele interessante Projekte ohne Erklärung einfach vom Tisch gewischt wurden“. Im Ausseerland denkt man bereits unter dem Titel „Soizkåumabessa“ über ein Gegenkulturhauptstadtjahr nach – mit den Beiträgen der Abgelehnten.

Der Umgang auf Nicht-Augenhöhe erstaunt tatsächlich. Denn die EU hat das Salzkammergut ausgewählt, weil die Einreichung nicht zur Gänze „bottom down“ dekretiert worden war. Im Gegensatz zu jener aus St. Pölten. Klein beigeben wollten Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Bürgermeister Matthias Stadler aber nicht: Sie beauftragten für 2024 die Ausrichtung eines Kulturjahres – um 16,7 Millionen Euro. Es wird fünf Monate dauern (von 30. April bis 6. Oktober) und vor allem dann stattfinden, wenn das Wiener Volkstheater und die Wiener Festwochen pausieren. Denn programmatisch ist die Tangente – sie soll ja berühren – mehr vom Gleichen.

Christoph Gurk, mit Volkstheater-Direktor Kay Voges nach Österreich gekommen, bringt als Intendant u. a. Rimini Protokoll nach St. Pölten (mit der Landpartie „Shared Landscapes“). Das deutsche Kollektiv gastierte bereits mehrfach bei den Wiener Festwochen und gerade eben wieder im Volkstheater.

Gurk holt auch Milo Rau nach St. Pölten. Der Schweizer Regisseur war 2019 mit „Orest in Mossul“ bei den Festwochen, heuer darf er ebendort „Antigone im Amazonas“ präsentieren. Und ab dem Herbst ist er der neue Intendant der Festwochen. Bei der Tangente ist er mit der Oper „Justice“ vertreten; das Libretto stammt von Rau und Fiston Mwanza Mujila, dessen „Après les Alpes“ derzeit im Volkstheater zu sehen ist.

Auch The Notwist (die deutsche Band gestaltet ein Festival im Festival) kommt einem vom Volkstheater-Programm vertraut vor. Als Kuratorin für einen Kunstparcours verpflichtete Gurk die polnische Kuratorin Joanna Warsza. Der Schweizer Konzeptkünstler Christian Philipp Müller – Vertreter Österreichs bei der Biennale Venedig 1993 – und die mexikanische Künstlerin Mariana Castillo Deball werden sich mit der Geschichte des Domplatzes als Friedhof beschäftigen. Und so weiter. Lokale Künstler scheinen keine tragende Rolle spielen zu dürfen. Im Gegensatz zu Bad Ischl regt sich aber kein Widerstand. Denn die Tangente berührt nicht, sie (zwangs-)beglückt.

Kommentare