Hoch im Kurs liegt auch Todd Phillips’ „Joker“ – und vielleicht hat sich Joaquin Phoenix für seine Rolle als psychopathischer Clown einen Preis verdient.
Lucrecia Martel selbst steht für strenges, herausforderndes Autorenkino; insofern ließe sich spekulieren, dass weniger konventionell erzählte Geschichten unter ihrer Jury-Präsidentschaft große Chancen haben. Das könnte dem chilenischen Regisseur Pablo Larraín und seinem eigenwilligen Porträt der Tänzerin „Ema“ zugutekommen; oder dem Italiener Pietro Marcello für seine formschöne Jack-London-Impression „Martin Eden“.
Auf viel Aufmerksamkeit stieß die Australierin Shannon Murphy mit ihrem bittersüßen Coming-of-Age-Drama „Babyteeth“. Nicht nur, weil Murphy als eine von nur zwei Frauen im Wettbewerb läuft, sondern auch, weil sie ihr Spielfilmdebüt präsentierte.
„Babyteeth“ erzählt von der Teenagerin Milla – temperamentvoll gespielt von Eliza Scanlen aus der HBO-Serie „Sharp Objects“ – die an einer Krebskrankheit leidet und sich das erste Mal verliebt. Zum Schrecken ihrer gutbürgerlichen Eltern ist der neue Freund – ein gewisser Moses – ein drogensüchtiger Dealer. Den ersten Hausbesuch macht Moses auch nur, um Medikamente zu stehlen; denn Millas Vater (Ben Mendelsohn) ist Psychiater und verschreibt seiner Umgebung – vor allem seiner eigenen Ehefrau – großzügige Mengen an Psychopharmaka.
Regisseurin Murphy erzählt ihr tristes Drama im heiteren Tonfall der Tragikomödie. Besonders im ersten Teil ihrer Geschichte, bevor die Liebesgeschichte das Kommando an sich reißt, bietet sie eine frische, witzige Sicht auf ein australisches Vorstadtmilieu. Skurrile Musiklehrer und schwangere Nachbarinnen mit der Zigarette in der Hand bieten lebhafte Einblicke in suburbane Befindlichkeiten.
Irgendwann beginnt die Last der Krebskrankheit schwer zu drücken, aber so richtig arg soll es auch nicht werden; da bleibt Shannon Murphy lieber Mainstream-kompatibel im Weichzeichner der Gefühle.
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