Austrofred: "Der Faktor Deppertheit spielt sicher eine Rolle"
Als die österreichische Version von Freddie Mercury (also mit Bierbauch statt Heroin chic) hat sich der Kreisky-Sänger Franz Adrian Wenzel hierzulande den Ruf des „Champion“, des „Experten für eh fast alles“ erarbeitet. Nach diversen Ausflügen in die Literatur (zuletzt ist der Midlife-Crisis-Ratgeber „Die fitten Jahre sind vorbei“ erschienen) hat sich der Austrofred kürzlich ins Studio begeben, um ein paar Lieder aufzunehmen.
Das Ganze sei aber gar nicht auf seinem Mist gewachsen, wie er dem KURIER erzählt. „Die Initiative ist von Kurt Razelli ausgegangen. Ich war anfangs auch ein bisschen skeptisch und hab eher aus Höflichkeit angeboten, dass er mir ein paar Instrumentals schicken soll. Immer schon im Hinterkopf, dass ich dann vielleicht heimlich meine E-Mail-Adresse wechsle. Wider Erwarten waren die Tracks aber recht inspirierend.“
Wer den Namen Razelli noch nie gehört hat, hat durchaus etwas verpasst. Denn der Künstler, der in der Öffentlichkeit mit einer Arnold-Schwarzenegger-Maske auftritt, zerschnipselt Wortspenden von Politikern und Promis, die er dann für seine Tracks neu zusammensetzt und mit Hip-Hop-Beats unterlegt. Für den Wiener Produzenten ist das soeben mit Austrofred vorgelegte Album das dritte in einer Reihe mit prominenten Mitstreitern – 2018 erschienen seine Songs mit Wortspenden von Ex-Politiker Matthias Strolz („Lost in Space“), im Vorjahr gab es gemeinsam mit Schauspieler Philipp Hochmair den „Jedermann Razelli RMX“.
Bier und Schnitzerl
Der Albumtitel „Life is laff“ führt ein wenig in die Irre, denn laff, also fad sind die zwölf Songs keineswegs. „Der Titel weist für mich auf die Härten des Showbiz hin. Überhaupt ist die ganz Platte ein Show-Platte, das ist immer wieder Thema. Die großen Gesten und die stillen Tränen im Backstageraum. Ich steh auf so was“, sagt Austrofred, der auf eine 20-jährige Bühnenerfahrung zurückblicken kann. Star-Allüren waren dem Freddie Mercury aus dem oberösterreichischen Waldneukirchen dabei immer fremd. Auf Youtube nachzusehende Auftritte in ranzigen Kellerstüberln und bei Möbelhaus-Eröffnungen: „Ich bin wirklich sehr bescheiden“, sagt er. Im Backstageraum, sofern es überhaupt einen gibt, könne er eigentlich auf fast alles verzichten. Aber ein Kisterl Bier sollte nicht fehlen. Und zum Essen darf es gerne Schnitzerl sein.
Mit „Life is laff“ liegt nun eine humorvolle, fetzige, gerne auf Bombast frisierte Platte vor, die den Kollegen von der neuen Dialektmusik nicht nur zeigt, wo der Most geholt wird, sondern auch, wie man ihn trinkt: „I wü ka Achterl / I wü ka Vierterl / weil i bin ka zufriedener Trottel/ I wü de gaunze Bottle“, singt der Austrofred im Song „Bottle“. Es wird aber auch romantisch („Tupperparty Girl“) und Kritik geäußert („Spoan to be alive“, „Ins Liacht“). Mit „VÖEST“ schenkt er Oberösterreich dann eine neue Hymne. Razelli liefert dazu retro klingende Sounds aus Synthies, Gitarren und Beats.
Das Interview
KURIER: „Life is laff“ heißt das Album. Das mag zwar bei vielen Menschen zutreffen, aber gilt das auch für den Champion?
Austrofred: Der Titel weist für mich auf die Härten des Showbiz hin. Überhaupt ist die ganz Platte ein Show-Platte, das ist immer wieder Thema. Die großen Gesten und die stillen Tränen im Backstageraum. Ich steh auf so was.
Warum holt man sich für das erste Album ausgerechnet Kurt Razelli an Bord?
Es war ja umgekehrt: Die Initiative ist von ihm ausgegangen. Ich war anfangs auch ein bisschen skeptisch und hab eher aus Höflichkeit angeboten, dass er mir ein paar Instrumentals schicken soll. Immer schon im Hinterkopf, dass ich dann vielleicht heimlich die E-Mail-Adresse wechsle. Wider Erwarten waren die Tracks aber recht inspirierend und, na ja, der Rest ist Geschichte, wenn man so will.
Musikalisch ist das Album ein arger Spagat: Disco, Schlager, Rock, Pop, Trap. Was hält das Ganze zusammen?
Wir zwei halt. Razelli und ich. Ich find, das klingt schon aus einem Guss und angemessen abwechslungsreich. Und ich persönlich hasse ja Platten, wo zehnmal derselbe Song drauf ist.
Was hätte Freddie Mercury zu den neuen Songs gesagt?
Da müsste man ihn selber fragen… Vielleicht das, was er einmal über sein eigenes Album gesagt hat, nachdem die Fans und die Presse darüber hergefallen sind - und was seither auch ein Motto ist für mich: "It’s just a bloody record!”
Wie oft hat der Champ in den 20. Karrierejahren schon ans Aufhören gedacht, an die wohlverdiente Frühpension. Oder geht sich die finanziell noch nicht ganz aus?
Also, Frühpension ist ein Wort, das ich ganz schlecht vertrage, Pension genauso. Weil ich bin ja ein aktiver Mensch, ich muss etwas machen, auch wenn es nicht ganz zwingend Musik sein muss. Ich schreibe ja auch, das geht auch, wenn einmal die Hüfte nicht mehr mitmacht. Ich schau aber schon immer, dass ich nicht finanziell so abhängig bin von einem Projekt, dass ich nicht mehr rauskomme. Wenn ich wollte, könnte ich auch jederzeit aufhören. Wollte ich halt noch nie.
Der Austrofred ist bekanntlich ein Bühnenviech und vor allem live in seinem Element. Wie schwer ist ihm die Zeit ohne Gigs, Adrenalinkick und Wirtshaus-Besuch gefallen?
Also, ganz am Anfang hab ich es richtiggehend genossen… und ab Sommer 2020 hats ja immer wieder mal Zeitfenster gegeben, wo was gegangen ist. Mit Maske und Abstand halt, aber mei. Ich denke, ich hab es glimpflich überstanden.
Mit welchen verbale Entgleisungen wurden Sie live schon konfrontiert?
Einmal hat ein älterer Herr während einer ruhigeren Passage in meinem Konzert geschrien, dass er die Wehrmacht überlebt hat, aber mich überlebt er nicht! So eine Drama-Queen! Ansonsten erinnere ich mich weniger an Verbales als an Gegenstände, die in meine Richtung geflogen sind: Zündhölzl, Eiswürfel, Bierkrüge, Flüssigkeiten.
Sie sind ja ein Kenner der österreichischen Seele. Was zeichnet Sie aus? Wo hapert es?
Mit so Mentalitäten beschäftige ich mich nicht recht viel. Ich meine, ich mach meine Gspasettl drüber, aber in Wirklichkeit interessiert mich das Nüsse. Mich interessieren mehr soziologische Typen. Wie tickt der Outdoor-Mensch. Klar trifft man den in Innsbruck weit häufiger als in Wien, aber er interessiert mich halt als Typ mehr als Innsbrucker. Mit solchen Sachen tu ich mich immer schwerer. Ich fahr so viel kreuz und quer durch Österreich und Süddeutschland und überall heißt es, wie nicht die Leute hier anders sind als woanders, und ein bisschen stimmts meisten, aber es ist schon ein sehr ungenaues Werkzeug.
Und wie unterscheiden sich die Oberösterreicher vom Rest des Landes? Welche Charakterzüge gibt’s nur im Land ob der Enns?
Der Franzobel hat einmal geschrieben, der typische Satz des Oberösterreichers ist: “Wenn ich gwußt hätt!” Ich find, da ist schon was dran. Aber natürlich, das Phänomen Oberösterreicher geht ja auch von bis …
Star-Allüren sind dem Austrofred ja fremd. Was sollte aber unbedingt im Backstageraum bereitstehen?
Da bin ich wirklich sehr bescheiden, ein kleines Bier reicht! Kleines Kisterl mein ich.
Unlängst wurde wieder der österreichische Musikpreis Amadeus, vergeben. Rechnen Sie nach der Platte mit einer Nominierung? Oder interessiert Sie dieser Preis einen Schas?
Da habe ich tatsächlich noch nicht darüber nachgedacht, aber, ja, bestes Album müsste sich eigentlich ausgehen.
Sind mit dem neuen Album auch Ihre Queen-Interpretationskünste vom Tisch?
Vorerst werde ich das schon mal pausieren, weil ich kann ja nicht immer alles überall spielen. Dafür wird es danach wieder umso schöner.
Mit „Austrofreds Barcelona“ im Radiokulturhaus haben Sie Ihr eigenes Musik-Talk-Konzert-Format ins Leben gerufen. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Wir haben immer zwei Acts aus ganz unterschiedlichen Sparten - beim ersten Mal waren das die Ildiko Raimondi und der Nino aus Wien - die spielen jeder ein Mini-Konzert und dann wird über Musik geredet und was einen als Musikerin und Musiker verbindet. Oder doch unterscheidet. Wenn Musiker in Interviews befragt werden, geht es meistens um ganz andere Sachen, um gesellschaftspolitische Themen, aber es wird nicht wirklich über ihre eigentliche Kernkompetenz gesprochen.
Der zweite Teil der Barcelona-Reihe wäre ja mit Willi Resetarits geplant gewesen. Wie sehr schmerzt den Austrofred der Abgang von Willi Resetarits?
Schmerz ist ein zu großes Wort, ich habe ihn ja persönlich gar nicht gekannt. Aber in Vorbereitung der Sendung habe seine Biografie gelesen, mich intensiv reingehorcht, vor allem Schmetterlinge und die ganz neuen Sachen, da hab ich schon ein paar Mal schnaufen müssen, wie die Todesmeldung gekommen ist.
Warum spielt in ORF abseits von "Starmania" und Klassik-Events Musik keine oder kaum eine Rolle? War nicht mal geplant, dass Sie eine eigene Sendung bekommen? Es gibt auf Facebook sogar die Fan-Seite „Austrofred for ORFeins“… Woran scheitert es?
Ich weiß auch nicht, wieso so wenig Popmusik im Fernsehen ist, aber der Faktor Deppertheit spielt sicher eine Rolle. Aber nicht falsch verstehen, ich selbst muss das nicht machen, ich find Fernsehen machen extrem anstrengend und wenig befriedigend. Ich geh viel lieber auf die Bühne, wo ich den direkten Kontakt zum Publikum habe, oder ich arbeite für mich an einem Buch oder einer Platte, wo mir keiner drein redet. Sicher ist es promotechnisch kein Fehler, wenn man öfter aus dem Fernseher lacht, aber mir ist da eigentlich der Preis zu hoch. Und wahrscheinlich ist es beim Fernsehen wie mit allem anderen: Wenn man keine Liebe dazu hat, dann kann man es auch nicht gscheit machen.
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