Neues Austra-Album: Tagebuch einer zerbrochenen Beziehung
„Ich war komplett überrumpelt“, erinnert sich Katie Stelmanis. „Die Person, die ich liebte, wachte eines Tages auf, sagte mir, dass sie unglücklich sei, ging, und ich habe sie nie wieder gesehen.“
Das hat die kanadische Musikerin, die mit ihrem Projekt Austra Piano-Sounds, Clubbeats, Dream-Pop und ihrem Opern-Gesang fusioniert, förmlich gezwungen, ihr eben erschienenes Album „Chin Up Buttercup“ komplett der Trennung von ihrer Partnerin zu widmen.
„Ich hatte keine Wahl“, erklärt sie im KURIER-Interview. „Wann immer ich begann, Musik zu machen, kam nur das raus. Das war zwar ein Verarbeiten all dieser widersprüchlichen Gefühle, aber ich würde nicht sagen, dass es heilsam war. Teilweise hat es sich das Schreiben angefühlt, als würde ich Salz in die Wunde streuen. Ich hatte eine gewisse Vorstellung von meinem Leben und die wurde zerstört. Man kann das akzeptieren, aber ich glaube diese Gedanken, was wäre, wenn dies und das anders gelaufen wäre, werden mir immer bleiben.“
„Buchstäblich Tagebucheinträge“, sagt die 40-Jährige seien Songs wie „Blindsided“ oder „Math Equation“, in denen sie detailliert auf die Geschehnisse rund um das Beziehungsende eingeht. Andere Songs spielen auf das innere Chaos an, das der Einschnitt hinterließ, auf die Wut oder die Traurigkeit: „Ich decke damit wirklich alle fünf Phasen der Trauerbewältigung ab, die die klassische Psychotherapie kennt – von der Verleugnung über die Depression bis hin zur Akzeptanz. Ich wollte aber nicht, dass es ein depressives Album wird. Deshalb habe ich bewusst das Element der Euphorie von Eurodance mit eingebracht. Gerade in der Endphase beim Fertigstellen von ,Chin Up Buttercup‘ war meine Referenz das Madonna-Album ,Ray Of Light‘.“
Zu den Wurzeln
Indirekt beeinflusst wurde „Chin Up Buttercup“ von einem Projekt, das Stelmanis zu ihren Wurzeln in der klassischen Musik zurückführte. Sie schrieb den Soundtrack zu einer Dokumentation, die das National Ballet Of Canada bei der Erarbeitung einer neuen Produktion von Tschaikowskis „Schwanensee“ begleitete. „Es war zwar harte Arbeit, weil ich vorher noch nie einen Soundtrack geschrieben hatte, aber es war auch ein Traum-Projekt“, erklärt Stelmanis.
„Mein allererster Auftritt war, als ich als Kind im Orchestergraben für das National Ballet Of Canada ,Nussknacker‘gesungen habe. Damals habe ich begonnen, Tschaikowski zu lieben und das dauert bis heute an. Außerdem kam das Angebot in der Zeit von Covid. Ich musste damals viele Shows absagen und war sehr unsicher über meine Zukunft. Durch das Projekt habe ich erkannt, dass sich das Soundtrackschreiben total natürlich für mich anfühlt. Das hat mir eine weitere Möglichkeit eröffnet, als Musikerin ein Einkommen zu haben, das unabhängig von Tourneen ist. Das hat sehr viel Druck von mir genommen.“
Durch die Arbeit an dem rein elektronischen Soundtrack („Er musste im Kontrast zu den Szenen mit Tschaikowskis Originalmusik stehen“) konnte Stelmanis nicht nur den Umgang mit ihrem Juno-Synthesizer lernen, den sie auch auf “Chin Up Buttercup“ häufig einsetzt, sondern sich auch als Produzentin stark weiterentwickeln.
Als Produzentin
Deshalb kann sie sich gut vorstellen, in Zukunft für andere Künstler tätig zu sein. Als Tochter einer Feministin, die als Kind am Küchentisch alles über patriarchale Strukturen erfuhr, ist sie diesbezüglich aber vorsichtig: „Eine Statistik, die ich vor Kurzem gelesen habe, besagt, dass nur zwei Prozent aller Menschen in der Musikproduktion und -Technik Frauen sind. Das ändert sich gerade. Trotzdem glaube ich, dass es Dekaden von Mentoring-Programmen brauchen wird, bis es einen Ausgleich gibt. Denn die Musikproduktionsindustrie war für eine so lange Zeit so ungastlich zu Frauen, dass wir Zeit zum Hineinwachsen brauchen.“
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