Ausstellung "Systemrelevant": Und die Kunst macht ihr Ding

Mehrere Frauen sind in einer farbenfrohen Szene mit Textilien und Näharbeiten beschäftigt.
Der neue künstlerische Leiter des Künstlerhauses wählte für seine Antrittschau einen schweren Begriff für einen leichtfüßigen Parcours

In der Lockdown-Phase der Pandemie war der Begriff kurz die Messlatte, an der die Wichtigkeit der eigenen Existenz festgemacht wurde – mittlerweile ist das Unwort fast wieder in die Vergessenheit zurückgeschnalzt, situationselastisch sozusagen.

Nun aber ist der Begriff „Systemrelevant“ selbst zur genaueren Betrachtung ausgestellt – der 2021 verstorbene Konzeptkünstler Lawrence Weiner hätte vielleicht eine seiner Wortskulpturen daraus gemacht, wer weiß. Weiner gehört jedenfalls nicht zu den 18 eher jungen Personen oder Gruppen, die Günther Oberhollenzer im Künstlerhaus versammelt hat, um seinen Kurs als künstlerischer Leiter der Institution zu verdeutlichen.

➤ Mehr lesen: Wiener Künstlerhaus denkt über Systemrelevanz und Selbstbewusstsein nach

Beim Gang durch die oberste Etage jenes Gebäudes, das auch von der „Albertina modern“ bewohnt wird, zeigt sich recht bald, dass es wenig Sinn ergibt, die einzelnen Kunstwerke mit einer Checkliste („und was is’ daran jetz’ systemrelevant?“) abzugrasen. Oberhollenzer – die Kunstszene kennt ihn als Kurator der Landesgalerie Niederösterreich und zuvor des Essl-Museums – ist kein großer Theoretiker, sondern einer, der gern frei assoziiert, niedrigschwellig vermittelt und sich für viele Ästhetiken und Ideen begeistern kann.

Vielfältig und bunt

So ist die Ausstellung medial vielfältig und bunt geraten, oft wird das Publikum zum Mittun aufgefordert – etwa bei Hannes Egger, der u. a. zur Reinigung des Stiegenhauses aufruft und in der Tradition von Franz Wests Passstücken und Erwin Wurms „One Minute Sculptures“ Kehrutensilien zur Verfügung stellt. „Finanziellen und organisatorischen Rückhalt soll die Kunst rein für ihr Dasein erhalten – als Testfall der Kultur, als Ort der freien Debatte, als Möglichkeit der Welterkennung, als sichere und zugleich experimentelle Spielwiese des gesellschaftlichen Austausches“, tönt es dazu aus einem Radio.

Ein Besprechungsraum mit einem Tisch, Stühlen und einer Küchenzeile im Hintergrund.

Dass es mit der Spielwiese in vielen Gesellschaften nicht weit her ist, sieht man bei der aus dem Iran stammenden Künstlerin Soli Kiani, die die Niederschlagung der Proteste in ihrem Heimatland verarbeitet und die Art Juteseile, die auch für Hinrichtungen verwendet werden, zu Teppichen und Quasten verwebt. Dass die Kunst stets zu den ersten Opfern autoritärer Systeme zählt, ist dann doch ein starker Beleg für ihre Relevanz.

Ein Porträt einer Person mit Gasmaske, umrahmt von einem aufwendigen Makramee aus braunem Garn.

So schleicht sich die Ernsthaftigkeit hinterrücks in die Ausstellung ein: Alfredo Barsuglias Regal voller Gegenstände, die eine Frau hinterließ, konfrontiert mit der Frage, was von einem Leben am Ende bleibt (wenig). Der von Xenia Lesniewski nachgebaute Büro-Pausenraum (samt kaputter Kaffeemaschine und Motivationsposter) lässt fragen, welchem System Arbeit und Regeneration letztlich dient.

Man kann an der Schau bemängeln, dass ihr roter Faden recht dünn ist – doch sie vereint schlaue, anregende Werke, die mehr Fragen als Antworten zu Tage fördern. Wie das Kunst eben so tut.

Kommentare