August Diehl im Interview: "Ich habe immer gern Komödien gespielt"
Der für eine ROMY nominierte Schauspieler zeigt überraschend viel Witz als Zauberer Zwackelmann, parodiert Klaus Kinski und quält als eifersüchtiger Geist Isabelle Huppert
Man muss zweimal hinschauen, um August Diehl zu erkennen. Schon allein deswegen, weil seine Rolle so ungewohnt ist: Er spielt den bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann – in einem Kinderfilm.
Der profilierte deutsche Schauspieler, der als Nazi in Quentin Tarantinos Farce „Inglourious Basterds“ seinen internationalen Durchbruch schaffte und in Terrence Malicks Drama „A Hidden Life“ als Widerstandskämpfer Franz Jägerstätter den Heldentod starb, gibt nun den Zwackelmann. In „Der Räuber Hotzenplotz“ – an der Seite von Nicholas Ofczarek in der Titelrolle – grinst August Diehl mit schiefen Zähnen in die Kamera und klappert bösartig mit seinen langen Fingernägeln. Selten hat man den arrivierten Dramen-Darsteller so anarchisch gesehen.
Für sein entfesseltes Spiel wurde er für eine ROMY als bester Schauspieler nominiert – „eine besondere Ehre, weil selten das Publikum wählt“, sagt August Diehl: „Insofern ist die ROMY anders als andere Preise.“
KURIER:Herr Diehl, Zauberer Zwackelmann ist Ihr Rollendebüt in einem Kinderfilm. Spielt man für Kinder anders als für Erwachsene?
August Diehl: Bei einem Kinderfilm wird man selbst stark zum Kind. Ich denke nicht direkt an die Kinder als Publikum, sondern ich denke an mich als Kind und daran, was ich gerne bei so einer Geschichte gesehen hätte. Der Zwackelmann verlangte eine ganz andere Art zu spielen. Wo man sich im Film oft zurücknimmt, war hier mehr oder weniger alles erlaubt: Sehr groß und fast wie eine Oper. Das war schön und sehr befreiend, aber physisch auch sehr anstrengend (lacht).
Inwiefern?
Naja, es ist ganz schön viel Gezwackel, was da die ganze Zeit passiert, und irgendwann beginnt man zu schwitzen. Was mir bei der Rolle sehr geholfen hat, waren die krummen Zähne, die ich trage. Das fand ich sehr gut.
Der Zwackelmann bringt jedenfalls Ihr komödiantisches Talent stark zum Vorschein. Warum sieht man Sie so selten in Komödien?
Das liegt nicht an mir. Man fängt ganz am Anfang mit einem Film an, der eine Tragödie ist („23 – Nichts ist so, wie es scheint“, Anm.), und dann bekommt man immer wieder dramatische Rollen angeboten. Es hätte auch anders kommen können. Aber ich habe immer schon gerne Komödien gespielt und empfand das nie als Widerspruch zu mir.
Sie spielen in der neuen Staffel der US-Serie „Documentary Now!“ eine Persiflage auf Klaus Kinski, gemeinsam mit Alexander Skarsgård, der Werner Herzog parodiert. Auch das ist sehr witzig. Wie kamen Sie dazu?
Oh, das war ganz spontan. Die Produktion hat mich angerufen und gemeint, sie hätten ein Angebot, für das ich allerdings schon am nächsten Tag in den Flieger steigen müsste. Ich dachte, das schaffe ich nicht. Dann ging es mit folgendem Satz los: „Es geht darum, dass Werner Herzog mit Klaus Kinski irgendwo im abgelegenen Gebirge mit den Eingeborenen eine Sitcom dreht.“ Schon nach der ersten Hälfte des Satzes habe ich zugesagt. Das klang so witzig, dass ich sofort dachte: „Ich mach’ das.“ Es war super.
Seit Klaus Kinski und seinen Exzessen, die früher möglich waren, hat sich viel gewandelt, Stichwort #MeToo.
Die Bewegung ist wichtig und toll. Ich begrüße das allgemeine Aufwachen und dass wir darüber nachdenken, wie wir mit unserer Sprache und unserem Verhalten Menschen verletzten. Aber ich begrüße auf keinen Fall eine Hexenjagd, Zensur und ein Denkverbot, das oft damit einhergeht. Gerade in unserem Beruf als Schauspieler: Wir verkleiden uns, nehmen andere Kulturen an und wir tun so, als wären wir jemand anderes. Darin liegt überhaupt nichts Beschämendes, sondern das ist etwas Wunderschönes. Im Moment aber ist das alles sehr schwierig. Das hindert uns daran, wirklich aufzuwachen und wirklich tolerant zu werden.
Sie spielen oft Rollen, die im Zeitraum des Faschismus und des Zweiten Weltkriegs spielen. Woran liegt das?
Purer Zufall. Diese Rollen haben sich zufällig ergeben, ich habe das nie wirklich verfolgt. Letztendlich habe ich weitaus mehr Filme in meinem Leben gedreht, die nichts mit diesem Thema zu tun haben. „Inglourious Basterds“ ist ja auch kein Film über diese Zeit, sondern eher eine Persiflage darüber, eine Art von Operette.
Sie haben einige spannende Projekte vor, zum Beispiel den Film „Das Verschwinden des Josef Mengele“ unter der Regie des regimekritischen russischen Regisseurs Kirill Serebrennikow.
Dazu kann ich leider gar nichts sagen, weil wir mit dem Dreh noch nicht angefangen haben. Aber ich kann erzählen, dass ich in Moskau „Woland“ gedreht habe, die Verfilmung von Bulgakows Roman „Meister und Margarita“. Dieser Film ist gerade in der Postproduktion, und darauf bin ich sehr gespannt. Ich war vor dem Krieg zwei Monate in Moskau und ein paar Wochen in St. Petersburg. Es war toll, mit welchem Aufwand und wie professionell der Roman, der vor allem in Russland als Kultroman gilt, verfilmt wurde. Das hat mich sehr begeistert. Es ist so schlimm und unglaublich, wie die Welt jetzt durch den russischen Angriffskrieg gespalten wird.
Auch mit Isabelle Huppert und Ihnen kommt auch bald ein Film ins Kino?
Oh ja, den haben wir auch letztes Jahr gedreht. Das wird, glaub ich, ein ganz schöner Film: „Sidonie in Japan“. Da spiel ich einen Geist (lacht).
Einen Geist?
Ja, ich spiele den vor zwanzig Jahren verstorbenen Ehemann von Isabelle Huppert, der immer noch als Geist bei ihr ist und der eifersüchtig ist, weil sie sich in einen neuen Mann verliebt. Was ich auch lustig finde: dass Geister eifersüchtig sein können.
Sie haben in Wien an der Burg Theater gespielt ...
Ich vermisse Wien manchmal sehr, weil Wien einfach so eine tolle Erfahrung war und ich gemerkt habe, wie verwöhnt ich durch Wien bin, was für einen starken Stellenwert Theater in Wien hat, wie schön das ist und was für ein Luxus das ist. Es ist schon eine tolle Stadt, das muss man sagen (lacht).
Man sagt, das Publikum in Wien sei besonders hingebungsvoll. Ein Mythos?
Das Publikum ist in Wien schon etwas Besonderes. Das gibt“s in keiner anderen Stadt. Ich weiß noch, wie ich vor 15, 20 Jahren wieder einmal nach längerer Pause in Wien war. Bei der Gelegenheit habe ich einen Kellner wiedergetroffen, der mich noch vom Theater kannte, und er fragte: „Spielen Sie wieder Theater?“ Ich antwortete: „Nein, ich drehe hier.“ Und dann hat er gemeint: „Ja, und wann machen’S wieder was G’scheits?“ (lacht) Das würde einem nie woanders passieren als in Wien. Ich musste so lachen. Und ich meinte dann: „Jaja, stimmt, ich mach’ bald wieder was G’scheits.“
August Diehl
Geboren 1976 in West-Berlin, studierte Diehl Schauspiel an der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin
Theater
Diehl war Ensemble-Mitglied am Wiener Burgtheater und verkörperte u. a. den Hamlet. Derzeit spielt er am Berliner Ensemble
Film
In seinem Kinodebüt „23“ (1998) war Diehl als Hacker zu sehen. Die Rolle als SS-Offizier in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ verhalf ihm 2008 zum internationalen Durchbruch. In „A Hidden Life“ (2019) verkörperte er den Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter unter der Regie von Terrence Malick. In „Der Räuber Hotzenplotz“ ist er sehr lustig als Petrosilius Zwackelmann
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