Auf Immendorf verbrannten im Mai 1945 Hauptwerke von Gustav Klimt

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Die Klimt Foundation nistet sich im MAK ein: Gemeinsam erinnert man an einen tragischen Kulturgutverlust 1945.

Im digitalen „Lexikon der österreichischen Provenienzforschung“ veröffentlichte der Historiker Leonhard Weidinger am 6. Jänner 2019 einen Beitrag über das erstmals im 13. Jahrhundert erwähnte Schloss Immendorf im nördlichen Weinviertel. Rudolf Freudenthal, der damalige Eigentümer, hatte es 1942 für Bergungen von Kulturgut zur Verfügung gestellt.

„Ab März 1943 wurden Gemälde, Plastiken und kunstgewerbliche Objekte aus der Sammlung Lederer und der Österreichischen Galerie, darunter die Fakultätsbilder und andere Gemälde von Gustav Klimt, nach Immendorf gebracht.“ Ende 1943 deponierte zudem das Kunstgewerbemuseum (heute MAK) Hunderte Objekte.

Im Frühjahr 1945 kam die Front immer näher: Am 8. Mai gegen Mittag zogen die Deutschen ab, wenige Stunden später rückte die Rote Armee in Immendorf ein. Gegen 18 Uhr brach im südwestlichen Turm ein Brand aus, der sich rasch ausbreitete. „Am Morgen des 9. Mai 1945, dem ersten Tag nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, schien der Brand erloschen zu sein.“

Mitnichten: Tags darauf loderte es wieder, das gesamte Schloss brannte aus. Nur zwei Teppiche konnten gerettet werden. Gerüchteweise sollen SS-Verbände den Brand (mit Zeitzündern?) entfacht haben, um zu verhindern, dass die Kunstgegenstände der Roten Armee in die Hände fielen. Weidinger, der bis zu seinem frühen Tod 2023 Provenienzforscher am MAK gewesen war, kommt jedoch zum Schluss: „Ein endgültiger Beleg dafür existiert nicht.“

Darüber hinaus gab und gibt es Mutmaßungen, dass Objekte zeitgerecht weggebracht werden konnten: „Bis heute sind allerdings keine Stücke aufgetaucht, die auf den Bergungslisten der im Schloss Immendorf eingelagerten Gegenstände angeführt waren.“ Mehr ist zu dem äußerst betrüblichen Fall nicht zu sagen. Es gibt auch seit der Zusammenfassung aus 2019 keine neuen Erkenntnisse. Man darf sich nur weiter fragen, warum der Polizeibericht (laut dem die SS-Einheit der Division Feldherrnhalle in der Nacht auf den 8. Mai eine Orgie gefeiert hätte) erst ein Jahr später abgefasst wurde.

Das Museum für angewandte Kunst zeigt dennoch bis 21. September die Schau „Gustav Klimt, das MAK und Schloss Immendorf: Verbrannt, zerstört, verschollen?“ Und man kam auch gar nicht auf die Idee, die eigene Forschungsarbeit (sprich: jene von Weidinger) in den Mittelpunkt zu rücken: Es handelt sich um eine Kooperation mit der Klimt-Foundation. Als dominantes Element gibt es daher eine projizierte Doku. Regie und Drehbuch stammen von Peter Weinhäupl, dem Direktor der Foundation.

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Fake einer Bergungskiste: mit den Klimt-Bildern, die eigentlich verbrannt sind.

Diese Schau entspricht zudem wohl nicht ganz den Standards einer wissenschaftlichen Anstalt. Ausgestellt ist u. a. eine gefakte Bergungskiste mit Reproduktionen der auf Immendorf verbrannten Klimt-Gemälde: Man kann blättern wie in einem Poster-Geschäft. Der Unterschied ist nur, dass die Werke auf Keilrahmen aufgespannt sind. Als wären sie gar nicht verbrannt.

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