Songs sind Momentaufnahmen. Wie würden Sie dahingehend das Album beschreiben, was für Momente haben Sie darauf verarbeitet?
Da haben Sie absolut recht – sie sind im Grunde „nur“ Momentaufnahmen. Nichts anderes. Und für mich besondere Moment finden sich auf dem Album einige. Es gibt das erste Date, große Vermissungen, Bücher, die mich nicht mehr losgelassen haben: „Schlafes Bruder“ zum Beispiel. Skurrile Situationen und Begegnungen, neue Empfindungen aber eben auch Orte wie Palermo – und zusammengehalten wird das Album von der Liebe.
Bleiben wir in „Palermo“. Was verbindet Sie mit dieser Stadt, mit Sizilien?
Die Familie meiner Frau und die Fähigkeit, den Moment und die kleinen Dinge zu genießen. Während sich in unseren Breitengraden viele Gedanken um Vergangenes oder Zukünftiges drehen, wird dort viel mehr das Hier und Jetzt zelebriert. Man nimmt sich Zeit für das Abendessen, freut sich über den sonnigen Tag und trinkt dazu einen guten Wein. Gut, Letzteres zelebriert man auch hier mit Bravour – nur ohne das Meer, dafür mit mehr Wind. Aber ich liebe das Leben in Wien. Auch hier lebt es sich sehr entspannt und dennoch großstädtisch.
Welchen Sound wollten Sie auf dem neuen Album forcieren?
Ich wollte alles ein wenig reduzieren. Den Songs Luft zum Atmen lassen. Als in den Sommern 2021 und 2022 wieder die ersten Open-Air-Konzerte gespielt werden konnten, bin ich statt mit der kompletten Band oft im Trio unterwegs gewesen. Weniger Leute – weniger Gage – kleinere Besetzung. Wir haben die Songs reduziert und teils komplett neu arrangiert. Man konnte nicht einfach E-Gitarre und Keyboard-Sounds weglassen. Es gab auf einmal so viel Platz. Es muss nicht immer alles mit noch mehr und mehr Spuren zugekleistert werden. Das wollte ich nun auch auf dem neuen Album fortführen. Das fing schon beim Schreiben der Songs an.
„Schmuck & Dieb“ ist ein wunderschönes Liebeslied mit einem Hauch verschlafener Melancholie. Man hat das Gefühl, dass Ihnen diese getragene Stimmung gut liegt, irgendwie besser als Power-Pop-Stücke. Wie sehen Sie das persönlich?
Dankeschön, das bedeutet mir viel. Es ist mir vielleicht auch das wichtigste Lied des Albums. Ich habe irgendwie eine neue Freude an meiner Stimme gefunden – mehr singen, weniger schreien. Das war nicht immer so. Es brauchte Mut, ruhiger und tiefer zu singen, wenn man sich nicht für den besten Sänger hält.
Wer hat das Album produziert, welche Musiker waren an Bord, und wie wir das ganze live umgesetzt werden?
Produziert hat es Herwig „Fuzzman“ Zamernik, ein Meister des Loslassens. Beim letzten Album sagte er mir: „Kopf aus“, diesmal sagte er: „weniger Muskeln“. Auch durch ihn und das Label habe ich wahnsinnig tolle Musiker kennengelernt, alles Multiinstrumentalisten, mit denen wir das Album in kleiner Runde aufgenommen haben. Jeder hat alles mal gespielt. David Schweighart, Xavier Plus, Lorenz Ambeek und Alexander Kranabetter. Aber auch meine Frau, Madlaina Pollina, ihr Vater Pippo und Adrian Röbisch waren zu Gast und haben mit eingespielt. Live wird es ein großes Spektakel. Laut und leise, schnell und langsam. Ich freue mich unheimlich auf die Tour im September und Oktober. Allein mit drei Alben eine Setlist zu schreiben, die neuen Möglichkeiten für Dramaturgie, Momente, Eskalation.
Was macht den Sound auf dem Album so retro? Alte Instrumente, eine besondere Mischung?
Zum einen haben wir uns auf eine relativ kleine Auswahl an Instrumenten beschränkt und diese immer wieder vorkommen lassen, das gibt den roten Faden. Fuzzman hat zum Beispiel eine alte Hammondorgel im Studio, die kann man dann sowieso unfassbar vielseitig klingen lassen. Viel hängt dann aber auch am Mix. Stellt man alles sehr räumlich und extrem aufgeräumt dar oder mischt man es eher mono, lässt auch mal Frequenzen brummen und kratzen? Wir wollten bei diesem Album einen möglichst warmen, unverfälschten Sound.
Gesellschaftskritische Töne sind eher zwischen den Zeilen zu finden. Was wollen Sie uns sagen?
Das Album ist eine Liebeserklärung. Aber auch Themen wie Konsum, Arroganz, Selbstgefälligkeit und die Schönheit der kleinen Dinge finden ihren Platz. Erzwingen konnte und wollte ich aber nichts. Die Songs habe ich hauptsächlich 2021 und Anfang 2022 geschrieben. Die Pandemie war das alles beherrschende Thema, welches ich konsequent ausgeklammert habe. Für mich war es nicht an der Zeit ein gesellschaftskritisches Album zu schreiben. Anderes wollte und musste aus mir heraus. Das ist es nun aber. Der Blick richtet sich wieder weg von mir auf unsere Gesellschaft. Ich arbeite bereits an neuen Liedern - es sind keine Liebeslieder.
Werden Sie, obwohl Sie schon länger in Wien leben immer noch als Deutscher Musiker wahrgenommen?
Mal so, mal so. Wichtig ist mir aber weder das eine noch das andere. Ich bin deutschsprachiger Musiker. Ich habe bislang eine EP und jetzt drei Alben veröffentlicht und die Alben allesamt in Wien aufgenommen. Ich wurde in einem Land geboren, dass es nicht mehr gibt und lebe jetzt sehr glücklich in Wien. Für mich klingt das super.
Zur Person: Der Musiker Ansa Sauermann (34) stellt sich selbst vor: „Ich wurde in der DDR geboren, einem Land, das es nicht mehr gibt, und lebe jetzt sehr glücklich in Wien.“ Sein soeben veröffentlichtes drittes Album nennt sich „Du kriegst was du brauchst“. Dieses wird er mit Begleitband vorstellen – am 9. August beim Poolbar Festival, 5. Oktober in Graz, 6. Oktober in Wien (Flex) und am 7. Oktober in Linz (Stadtwerkstatt).
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