"Topfenstrudel mit Gulasch?"

Ein Mann mit Brille und blauem Hemd lächelt vor einem dunklen Hintergrund mit einem Logo.
Interview: Philharmoniker-Vorstand Großbauer plädiert für Verlängerung des Staatsoperndirektors Meyer.

Am 1. September wird es ein Jahr her sein, dass Andreas Großbauer, 1974 in Graz geboren, die Funktion des Vorstandes der Wiener Philharmoniker übernahm.

KURIER: Ihre Wahl kam damals überraschend. Konnten Sie erahnen, was Sie da erwartet?

Andreas Großbauer: Das kann man wirklich nicht erahnen, was da alles passiert. Die Struktur der Wiener Philharmoniker ist ja über Jahre gewachsen. Geschäftsführer Harald Krumpöck und ich haben sie praktisch fertig übernommen. Aber natürlich gibt es Handlungsbedarf. Wir brauchen mehr nicht-künstlerisches Personal. Und werden die Kommunikation verbessern, auch intern. Wir haben jetzt ein jüngeres Team und wollen zukunftsträchtiger arbeiten.

Was heißt das? Jüngeres Publikum ansprechen?

Auch das. In Wien hat das Publikum traditionellerweise ein gewisses Alter. In China, auch für uns ein Zukunftsmarkt, sind die Menschen im Konzert viel jünger. Klassische Musik setzt gewisse Reife voraus, aber man muss als Orchester auch offen für neue Wege sein.

Sie sind erster Geiger und haben als solcher selbst die sehr erfolgreiche "Fidelio"-Premiere in Salzburg gespielt. Am Pult stand Franz Welser-Möst, der sich vergangenen Herbst wegen künstlerischer Konflikte mit Direktor Dominique Meyer als Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper zurückgezogen hat. Wie sehen Sie im Nachhinein diesen Abgang?

Wenn zwei so starke Persönlichkeiten zusammenkommen, hat das ein Ablaufdatum. Ich glaube, dass es gar nicht nötig ist, eine solche Position zu besetzen, die Staatsoper braucht keinen Generalmusikdirektor. Ich bin glücklich, dass wir mit Welser-Möst ein gutes Einvernehmen haben. Wir planen mit ihm auch für die Zukunft.

Opernchef Meyer wird am Samstag, (8. August, Anm.) 60 Jahre alt. Was wünschen Sie ihm?

Dass die finanziellen Querelen langsam ein Ende finden. Aber wir haben ja mit Josef Ostermayer einen besonnenen Kulturminister. Die Wiener Philharmoniker stehen jedenfalls zu 100 Prozent hinter ihrem Direktor.

... der nicht ihr Direktor ist.

Da haben Sie recht, aber Direktor der Staatsoper. Ich wünsche mir jedenfalls, dass er über das Jahr 2020 hinaus als Opernchef verlängert wird. Uns verbindet eine extrem gute Zusammenarbeit. Er hat schon in den ersten Wochen jedem Musiker jeden Abend die Hand geschüttelt. Es gibt unter ihm einen Kammermusikzyklus der Wiener Philharmoniker in der Staatsoper. Wir hatten 2013 auch die Möglichkeit, die Forschungsergebnisse der Historikerkommission in der Oper zu präsentieren. Meyers Auslastungszahlen sind unschlagbar. Und er steht für eine Öffnung des Hauses.

Aber auch für sehr konservative szenische Zugänge.

Eine Inszenierung an der Staatsoper muss Repertoiretauglich sein. Wenn die Regie zu provokant ist, läuft man auch Gefahr, Publikum zu verlieren.

Finden Sie es gut, wenn in der Oper Filmpremieren wie "Mission Impossible" stattfinden?

Absolut. Was kaum jemand weiß: Wir haben auch Teile der Filmmusik im Musikverein eingespielt. Etwa 15 Minuten stammen von uns, von "Turandot" bis zur "Figaro"-Ouvertüre.

Kritikpunkte an den Philharmonikern sind immer wieder der häufige Wechsel unter den Musikern und die zahlreichen Substitute. Was entgegen Sie da Ihren Kritikern?

Ich war selbst Substitut, wie fast alle anderen auch, die später ein Probespiel gewonnen haben. Es gibt klare Regeln, wie viele Substitute pro Aufführung spielen dürfen. Ohne Substitute könnten wir gar nicht existieren.

Welche Relevanz hat heute ein Symphonie- bzw. Opernorchester für die Gesellschaft?Eine Vorbildfunktion. Die Wiener Philharmoniker agieren in einer extremen Demokratie. Jede Entscheidung wird von der Basis im Plenum getroffen. Demokratie ist in der Umsetzung freilich auch eine schwierige Gesellschaftsform. Wir bilden innerhalb des Orchesters auch alle Teile der Gesellschaft ab, in jeder Hinsicht. Durch die Demokratie sind wir aber zusammengeschweißt und schaffen es dann fallweise, bei Konzerten den Himmel zu öffnen. Das ist unsere Relevanz: Zu zeigen, dass das gemeinsam klappt.

Bei den Berliner Philharmonikern kommt nur noch etwa ein Drittel aus Deutschland. Auch bei den Wienern sind viele nicht mehr mit der traditionellen Klangkultur aufgewachsen. Sehen Sie das als Nachteil?

Nicht unbedingt. Wir dürfen nicht permanent zurückschauen und im vergangenen Klangideal baden. Es geht um den Klang, den unsere Musiker gemeinsam heute für richtig halten. Es ist sogar gut, wenn wir nicht mehr klingen wie vor 30 Jahren.

Würden Sie den Satz unterschreiben: "Das größte Problem der Wiener Philharmoniker ist die Mozart-Interpretation."Die größte Herausforderung. Es gibt immer wieder neue Zugänge von Dirigenten. Wir sind bereit, vieles mitzumachen, aber die Flexibilität geht nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn sich jemand Topfenstrudel mit Gulaschsoße wünscht, können wir das machen. Aber ob das die Leute hören wollen? Wenn unsere Klangvorstellungen zerstört werden, wehren wir uns.

Wollen die Philharmoniker also weiterhin in Salzburg Mozart spielen, obwohl sie dafür oft kritisiert werden?Natürlich. Man darf sich nicht von Modeerscheinungen verdrängen lassen.

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