Hellers "Basquiat"-Rahmen: Disput trifft die Kunstbranche an empfindlicher Stelle

Hellers "Basquiat"-Rahmen: Disput trifft die Kunstbranche an empfindlicher Stelle
Die Kunst ist frei, doch der Markt braucht strenge Regeln und Prozesse. Galerist Wienerroither: "Wir sind hinters Licht geführt worden“.

„Ich möchte den Fall selbst nicht kommentieren“, sagt die Zeitgenossen-Expertin des Wiener Dorotheums. „Die Albertina gibt in dieser Sache keinen Kommentar ab“, heißt es aus dem Museum, das gerade eine höchst erfolgreiche Schau des Künstlers Jean-Michel Basquiat abhält. Dort hängt auch das (unangezweifelt authentische) Bild, das einst André Heller gehörte – allerdings ohne jenen Rahmen, den dieser unter Verwendung von Basquiat-Originalzeichnungen selbst anfertigte: So gestand er es jedenfalls dem Falter, er nannte es einen „kindischen Streich“.

Dass die Kunstwelt sich angesichts der Affäre in ein Schneckenhaus zurückzieht, ist eine durchaus natürliche Reaktion: Bei Basquiat, dessen Marktpreise bereits jene seines Ex-Mentors Andy Warhol überholt haben, kann eine öffentliche Äußerung über Echtheit oder Falschheit Werte schaffen oder auch zerstören. Kunstsammler haben in der Vergangenheit bereits öfter Nachlassverwalter geklagt, wenn ein vermeintlich echtes Werk nicht als solches anerkannt wurde.

Expertisen-Vakuum

Seit 2012 vergibt das „Estate of Jean-Michel Basquiat“ keine Authentifizierungszertifikate mehr; die Nachlassverwalter von Keith Haring stellten das Zertifikat-Service im selben Jahr ein, jene von Andy Warhol bereits im Jahr davor. Annina Nosei, Basquiats erste Galeristin, hält auf ihrer Website ebenfalls fest, dass sie keine Gutachten erstellt.

Der Kunsthistoriker Dieter Buchhart, der für die Albertina und andere Institutionen sowohl Basquiat- als auch Haring-Ausstellungen kuratierte, ist ebenfalls nicht im Gutachter-Business tätig, wie er gegenüber dem KURIER festhielt. Doch in dem Zertifikatsvakuum hat sein Wort Gewicht. Als Buchhart Heller 2016 interviewte, glaubte er der Erzählung, dass der Rahmen im Umfeld des Heller-Projekts „Luna Luna“ entstanden sei, bei der Basquiat mit dem Wiener Impresario kollaborierte.

Hellers "Basquiat"-Rahmen: Disput trifft die Kunstbranche an empfindlicher Stelle

In einer aufwändig gestalteten Broschüre, die die Galerie Wienerroither & Kohlbacher 2017 produzierte (siehe unten), brachte Buchhart den Rahmen in Bezug zu Voodoo-Praktiken, die Basquiat auch andernorts in seinem Werk zitierte. Die im Rahmen collagierten Zeichnungen – in der Publikation genau erfasst und annotiert – seien gar als „Credo“, also als künstlerisches Glaubensbekenntnis Basquiats zu verstehen. Nur waren sie wohl von Heller arrangiert worden.

Plausible Erzählung

„Der Faktor der Oral History ist selbstredend sehr wichtig. Aber zentral ist, dass man danach verifizieren kann, was gesagt wurde“, betont Patricia Pálffy, Expertin für internationale Moderne und zeitgenössische Kunst – wohlgemerkt ohne auf den konkreten Fall eingehen zu wollen. Die Provenienz – also die Herkunftsgeschichte eines Werks – müsse belegbar und dokumentiert sein, ergänzt sie.

Zwischenzonen

Graubereiche gibt es immer wieder: In Wien erinnert man sich noch an den Disput um einen Werkblock, den Joseph Beuys in Wien geschaffen haben soll – ein Ex-Assistent bezeichnete diese als Fälschungen, als Gewährsmann für die Echtheit trat der damalige Rektor der Angewandten, Oswald Oberhuber, auf. Rund um den Maler Alfons Walde (1891 – 1958) gab es Verfahren, weil seine Witwe Werke, die nicht authentisch waren, mit einem Nachlass-Stempel „geadelt“ haben soll.

Pálffy betont aber auch, dass es heute ein viel engeres Netz an funktionierenden, professionellen Strukturen gebe. Nachlass-Stiftungen und Galerien – auch solche, die selbst keine Zertifikate ausstellen – verfügen über Archive, in denen Ausstellungs- und Verkaufschroniken erfasst sind. Auktionshäuser publizieren diese im Vorfeld von Versteigerungen.

Dennoch bleibt auch in diesen Strukturen Vertrauen ein wichtiger Kitt, der das System zusammenhält. Es ist ein Klebstoff, der nicht leichtfertig verdünnt werden darf.

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