Polit-Parabel von und mit August Schmölzer: "Krieg ist immer gleich brutal"
Der österreichische Film "Am Ende wird alles sichtbar" will Polit-Lehrstück und großes Kinos sein. August Schmölzer schrieb die Romanvorlage. Er und Regisseur Peter Keglevic im Gespräch.
Josef (Harald Schrott) kehrt nach vielen Jahren in seinen Heimatort zurück, nimmt einen Job als Totengräber an. Der Ffotograf, der einst die lokalen Gräueltaten dokumentieren musste, hat nun wieder mit Leichen zu tun. Gerade sind Buben zu bestatten. Die Suche nach einem Kindermörder hält das pittoreske Bergstädtchen in Atem.
Der Film beruht auf einem Roman von Schauspieler August Schmölzer. Regisseur Peter Keglevic, der gemeinsam mit Klaus Pohl das Drehbuch schrieb, baute aus den Motiven von „Der Totengräber im Buchsbaum“ eine filmreife Erzählung. Schmölzer habe ihm den Roman zum Lesen gegeben. „Ich habe ihn zuerst lange nicht gelesen, war dann aber äußerst überrascht über diese Knappheit und die Poesie, die er in der Lage war, zu schreiben.“
Mehrere kleine Nebengeschichten mussten gestrichen werden, sagt Keglevic. Und auch der Titel des Romans wurde nicht übernommen – weil er zu „unerklärlich“ gewesen sei. „Weil in der Geschichte das frühere Fotografieren so eine große Rolle spielt, war es naheliegend, dass man immer wieder Fotopapier ins Entwicklerbad legt, um das auf sein Leben anzuwenden. Dann kommt etwas und dann kommt noch ein bisschen mehr und plötzlich wird am Ende alles sichtbar.“
Geduld
Das sieht der Regisseur bewusst als Reise in die Vergangenheit und als Unterrichtsstunde. „Es ist wichtig, einfach immer daran zu erinnern, woher man kommt“, sagt Keglevic. „Was man in der Kunst oder bei der Fotografie damals noch hatte, war Geduld. Und man braucht in der Kunst viel Geduld.“
Geduld erforderte auch die Finanzierung des Films. Letztlich musste man mit 2,7 Millionen Euro auskommen. Gedreht wurde an bloß 20 Drehtagen, und das an zehn Drehorten in Österreich und fünf in Istrien – eine logistische Herausforderung. Dabei will der Film große Kinogefühle hervorrufen, mit starken Bildern und einem schwelgerischen Soundtrack (Christian Kolonovits). „Am Ende wird alles sichtbar“ wurde auch – erfolglos – als österreichische Beitrag für den Auslandsoscar eingereicht.
Dass die Fördergelder nicht gerade gesprudelt sind, dafür machte Schmölzer im Gespräch mit der APA die Besetzung der Jurys bei Fördergebern verantwortlich: „Ich bin ein alter weißer Mann, der Regisseur ist ein alter weißer Mann. Und die Geschichte ist frauenfeindlich. Das bekamen wir jedenfalls von Förderstellen zu hören.“ Der Film sei aber das Gegenteil. Man zeige die Welt eben „so, wie sie ist: als Männerwelt.“
Politik und Liebe
Und da sitzen sie am Stammtisch: der Bürgermeister (Manuel Rubey), der Polizeichef (Schmölzer) und ein Journalist (Robert Stadlober), die Neuankömmling Josef als Verdächtigen im Mordfall sehen wollen. Sie beobachten auch mit Argwohn, wie Josef auf seine Jugendliebe Ragusa (Erika Marozsán) trifft. Es gehe auch um „das erste Gefühl des Verliebtseins, das einem Menschen ein ganzes Leben lang in Erinnerung bleibt“, sagt Keglevic.
Es geht aber auch um Schuld, Verantwortung und um eine nicht näher verortete Nachkriegsgeschichte. Diese Polit-Parabel trägt schon ihre österreichischen Züge, die Handlung spielt allerdings in einem Fantasieland. „Ich habe mich beim Drehbuch wenig eingemischt“, sagt Schmölzer im KURIER-Gespräch, „aber in diesen Punkten war ich ziemlich klar. Wir können an Rovinj denken, wir können an Nationalsozialismus denken, aber es darf nicht als solches ausgestellt sein. Wenn ich dort Leute in SS-Uniform herumlaufen lasse, dann würde es gleich heißen: Ah ja, das sind die Nazis, und schon ist der Film klar eingeordnet.“
Für den Steirer sei „Krieg immer gleich brutal. Soldaten sind Soldaten, es ist immer ganz furchtbar. Es ist Schmerz. Und wie wir in Österreich ja merken: nach 85 Jahren dampfen jetzt wieder Sachen hoch, die ja längst überstanden schienen. Und plötzlich ist es wieder da. Und wieder passiert auch tiefer Schmerz in der Welt.“
Der Gedanke der Ortlosigkeit gefiel auch Keglevic. „Nicht, um Österreich zu verschonen, sondern zu zeigen, dass das Land kein Alleinstellungsmerkmal hat in diesen Disziplinen. Das ist schon etwas, das erstaunlicherweise weltweit funktioniert.“
Das drückt auch der Untertitel des Films aus: „Generationen kommen und gehen, die Täter bleiben die gleichen.“
Ein Foto auf einer Bildmontage im Film zeigt auch eine Täterin: Leni Riefenstahl, die im Auftrag Hitlers Propagandafilme drehte.
Mit dem Herzen
Der Josef im Film wil schon als Jugendlicher Fotograf werden, ein örtlicher Greißler gibt ihm seine erste Kamera und rät: „Schau immer mit dem Herzen!“
Schmölzer sagt dazu: „Das hat nicht nur Saint-Exupéry gesagt, der es noch feiner ausformuliert hat, auch mein Großvater hat das immer gesagt. Und zwar bezogen auf das ganze Leben.“
Einen besonders poetischen Einfall im Film hat Keglevic beigesteuert. Bei einem Strandspaziergang im Nachbarort wird auf Josef ein Messerattentat verübt. Er überlebt nur, weil er sein Herz von Geburt an nicht links, sondern auf der rechten Seite trägt.
Im Gegensatz zum Trend in vielen Serien, solche Pointen am Ende auszuspielen, setzt Keglevic diese Szene gleich an den Beginn.
„Wir brauchten da kein großes Geheimnis drumherum machen, um irgendeinen großen Aha-Effekt zu erzielen oder noch eine wundersame Fügung aus der Kiste zu ziehen. Sondern: Dieser Mensch ist so, dass er das Herz am anderen Fleck hat, nämlich am rechten Fleck.“
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