Ofczarek als Kafka: Bis sich der Maulwurf wieder verkriecht

Nicholas Ofczarek, Nikolai Tunkowitsch und Tamara Metelka.
Burgschauspieler Nicholas Ofczarek ist zurück auf der Bühne des Akademietheaters – nach gut sechs Jahren Absenz (aufgrund der nun beendeten Direktionszeit von Martin Kušej): Am Mittwochabend bestritt er mit Tamara Metelka, Professorin am Max Reinhardt Seminar, und dem Franui-Geiger Nikolai Tunkowitsch in „seinem“ Haus eine Art „Gastspiel“. Denn „Franz Kafka: Milena!“ ist eine Eigenproduktion des Ehepaars, entstanden 2024 anlässlich Kafkas 100. Todestages.
Sie versucht, die Beziehung zwischen dem Schriftsteller aus Prag und der weit jüngeren, in Wien lebenden Journalistin und Tschechisch-Übersetzerin Milena Jesenská plastisch werden zu lassen – ohne sich, wie zum Beispiel David Schalkos „Kafka“-Fernsehserie, in Spekulationen zu ergehen. Was nicht gerade einfach ist, da nur die Briefe von Kafka erhalten sind: Jesenská hatte Max Brod, den Herausgeber der Werke seines Freundes, gebeten, ihre dem Feuer zu überantworten.
Doch Metelka und Ofczarek wussten sich zu helfen: Sie bringen u. a. feuilletonistische Beiträge von Milena Jesenská zu Gehör (und nicht nur deren Nachruf auf den damals eher unbekannten Kafka). Kurzum: Sie achten auf Ausgewogenheit. Zumal auch die Lebensgeschichte von Jesenská, die sich von ihrem Vater wie von ihrem Ehemann emanzipiert hat (und schließlich 1944 im KZ Ravensbrück starb), außerordentlich ist.
Natürlich schlachten sie die geradezu panische Angst von Kafka, dem zum zweiten Mal unglücklich Verlobten, vor dem Treffen mit der innig geliebten Jesenská 1920 in Wien aus. Welches humoristische Potenzial diese Briefpassagen haben, lotete bereits Thomas Maurer in seinem hinreißenden Programm „Maurer.Kafka.Komisch“ aus.
Doch Metelka und Ofczarek belassen es nicht dabei: Sie machen die tiefe Tragik der Romanze, die nach einer weiteren Begegnung (in Gmünd) abbrach, deutlich. Der zweistündige Abend endet, ergänzt um melancholische Weisen, die Nikolai Tunkowitsch einstreut, richtiggehend bedrückend.
Wiewohl Metelka und Ofczarek, an Tischchen sitzend, in erster Linie ablesen (sie vom Papier, er vom iPad), ist „Franz Kafka: Milena!“ weit mehr als eine Lesung: Gebannt schaut der Schriftsteller der Journalistin zu, wenn sie pointiert über das schlechte Essen in Wien und den Gestank von Kraut allerorts berichtet.
Dass ein Lackel wie Ofczarek (in unförmiger Trainingshose) den zierlichen, immerzu korrekt gekleideten Kafka verkörpert, ist zwar mehr als skurril. Aber dem Burgschauspieler gelingt das Bravourstück mit größtmöglicher Sanftheit in der Stimme (und verträumten Blicken zu Metelka). Nur zweimal darf er kurz von der Schriftsprache in den Dialekt wechseln: als Kellner, der famoses „Ungarisches Kraut“ anempfiehlt, wie als Obergrenzinspektor. Und einen einzigen, zentralen Satz spricht das Ehepaar gemeinsam. Danach verkriecht sich der Maulwurf unter die Erde – und Milena verliert fast die Fassung, weil sich ihr Franz nicht mehr meldet.
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