Zwischen Anspruch und Abstieg

Zwischen Anspruch und Abstieg
Österreich stagniert wirtschaftlich. Hohe Kosten und Energiepreise bremsen. Zwei Top-Ökonomen zeigen, wo es hakt und was sich in Zukunft dringend ändern muss.

von Stephan Scoppetta

Am 18. Juni 2025, nur wenige Wochen nach der Angelobung der neuen Bundesregierung, wurde das nächste Krankheitssymptom sichtbar: Nach Jahren hoher Staatsschulden, einer stagnierenden Wirtschaft und wachsender Unsicherheit ist der Standort Österreich im internationalen Wettbewerbsfähigkeitsranking des Lausanner IMD-Instituts erneut zurückgefallen – auf Platz 26. 

Während Schweiz, Singapur und Dänemark führen und Deutschland aufholt, verliert Österreich an Dynamik. Schwächen zeigen sich bei Regierungseffizienz, Steuern und Innovation – Stärke nur bei Infrastruktur und Bildung. Wettbewerbsfähigkeit hängt auch von der politischen Kultur und der Fähigkeit ab, gemeinsame Ziele zu verfolgen. Professor Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates warnt: „Es ist nicht zu übersehen, der Standort verliert an Substanz.“

Strukturelle Schwächen

Badelt sieht eine Reihe struktureller Probleme, die Österreichs Wettbewerbsfähigkeit gefährden. „Steigende Energiepreise, hohe Lohnstückkosten und eine dichte Regulierung hemmen Investitionen und treffen besonders energieintensive Branchen“, erklärt er. Hinzu kommen eine schwache Unternehmensdynamik, zu wenig Risikokapital und eine starke Abhängigkeit von Industrien, die international unter Druck stehen. Besonders die Automobil- und Maschinenbauindustrie spüre die sinkende Nachfrage. 

„Unsere Wirtschaft verliert an Innovationskraft, weil sie zu wenig in wissensintensive Dienstleistungen und Hightech investiert“, warnt Badelt. Der Strukturwandel hin zu einer wissensbasierten Ökonomie sei überfällig. Österreich müsse diesen Übergang aktiv gestalten und sich konsequenter auf Zukunftsbranchen wie Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energien ausrichten.

Reformdruck wächst

Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, sieht die Hauptursachen in einem „unvorteilhaften Kostenmix“. Hohe Energiepreise, steigende Löhne und eine überdurchschnittliche Abgaben- und Bürokratielast würden die Wettbewerbsfähigkeit schwächen. „Ohne strukturelle Antworten auf Kosten, Demografie und Produktivität drohen weitere Marktanteilsverluste“, warnt sie. Besonders dringend sei eine umfassende Pensionsreform: „Sie entlastet die Budgets, schafft Spielraum für Abgabensenkungen, erhöht das tatsächliche Pensionsantrittsalter und verbessert so die Lage am Arbeitsmarkt.“ 

Auch Badelt betont, dass die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit dringend gesenkt werden müsse. „Der Tax Wedge liegt in Österreich deutlich über dem OECD-Durchschnitt und das ist kein gutes Zeichen für hoch qualifizierte Fachkräfte.“ Beide Experten verweisen auf die Bedeutung von Planungssicherheit und Vertrauen in die Politik. Reformen müssten transparent, nachvollziehbar und langfristig angelegt sein, um wirtschaftliche Erwartungen zu stabilisieren.

Innovationskraft stärken

Neben den Kostenproblemen rückt laut Köppl-Turyna die Innovations- und Bildungspolitik stärker in den Fokus. „Ein zu hoher Anteil an Schülerinnen und Schülern erreicht die internationalen Standards nicht“, sagt sie. Mehr Chancengleichheit durch den Ausbau der Elementarpädagogik und weniger frühe Selektion seien ebenso nötig wie moderne Lehrpläne mit Fokus auf Digitalisierung.

Auch Badelt fordert eine „Neuausrichtung der Forschungs- und Technologiepolitik, einschließlich der Digitalisierung“, um Wissen besser in Wertschöpfung zu verwandeln. Österreich brauche mehr unternehmerische Dynamik, eine stärkere Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und den Mut, neue Branchen zu entwickeln. „Um uns von stagnierenden Märkten zu entfernen, braucht es zudem eine konsequente Umgestaltung des Energiesystems und eine Mobilisierung des Arbeitskräftepotenzials“, so Badelt. Köppl-Turyna ergänzt, dass eine aktivere Innovationspolitik auch den Kapitalmarkt betreffen müsse: „Wir brauchen mehr Eigenkapital für Start-ups und technologieintensive Unternehmen – sonst werden Ideen im Ausland skaliert.“

Was jetzt zählt

Beide Ökonomen sehen die kommenden Jahre als entscheidend. Eine zukunftsgerichtete Energiepolitik, eine tiefgreifende Reform des Pensions- und Steuersystems sowie eine Offensive für Forschung und Bildung seien laut Köppl-Turyna und Badelt der Schlüssel, um den Standort wieder nach vorne zu bringen. 

Auch die Politik müsse laut beiden Experten mutiger werden – weniger Detailregulierung, mehr Priorität auf Umsetzung. Der wirtschaftliche Erfolg der nächsten Dekade werde davon abhängen, ob es gelingt, Effizienz, Innovation und Vertrauen in die Zukunft wieder in Einklang zu bringen.

Stephan Scoppetta

Kommentare