Kritische Infrastruktur im Fadenkreuz
Wer heute von „kritischer Infrastruktur“ spricht, meint weit mehr als Stromleitungen und Krankenhäuser. Gemeint ist das Netz an Einrichtungen, deren Ausfall das öffentliche Leben massiv beeinträchtigen würde – von der Energie- und Wasserversorgung über Verkehr, Gesundheit und Kommunikation bis zum Finanzsektor und der öffentlichen Verwaltung.
Mit der Verbreitung von zivilen und militärischen Drohnen ist diese Infrastruktur verwundbarer geworden: Kleine, schwer detektierbare Systeme können Leitungen beschädigen, Flughäfen lahmlegen oder Anlagen ausspähen.
Die Frage, wer sie im Ernstfall schützt, ist komplex – rechtlich wie organisatorisch. Erste Verantwortungsträger sind die Betreiber selbst. Mit der EU-Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen (CER) und ihrer Umsetzung in Österreich durch das neue RKE-Gesetz (Resilienz kritischer Infrastruktur) müssen Betreiber systematisch Risiken analysieren, Schutzkonzepte erstellen und Notfallpläne vorhalten.
Gegen physische Drohnenangriffe haben Betreiber allerdings kaum unmittelbare Eingriffsrechte. Ein Beispiel: Die Wiener Stadtwerke verweisen darauf, dass für Betreiber kritischer Infrastruktur derzeit „rechtlich verankerte reaktive Eingriffsrechte“ gegenüber Drohnen fehlen – sie sind auf Polizei oder Bundesheer angewiesen. Im zivilen Bereich ist die Polizei der zentrale Akteur.
Grundlage sind insbesondere Sicherheitspolizeigesetz und Luftfahrtgesetz. Drohnen, die etwa Flughäfen, Veranstaltungen oder Kraftwerke gefährden, fallen in ihren Aufgabenbereich der Gefahrenabwehr.
Ein eigener Schwerpunkt des Innenministeriums ist die Drohnenabwehr als Teil der „umfassenden Sicherheitsvorsorge“. In den vergangenen Jahren wurden operative Fähigkeiten ausgebaut: Am Flughafen Wien-Schwechat wurde ein Drohnendetektionssystem installiert, beim Innenministerium ein Drohnenabwehrzentrum in der Direktion für Spezialeinheiten eingerichtet.
Die Maßnahmen reichen – je nach Gefährdungslage – von „weichen“ Mitteln wie Detektion, Stören von Funk- und Navigationssignalen („Jamming“) oder Übernahme der Steuerung bis hin zu „harten“ Mitteln, etwa Netzwurfgeräten oder Schusswaffengebrauch.
Ein Abschuss ist rechtlich nur in engen Grenzen zulässig: Bei zivilen Drohnen darf die Polizei etwa dann kinetische Mittel einsetzen, wenn der öffentliche Luftverkehr gefährdet ist, eine konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht oder Terror- bzw. Spionageverdacht vorliegt.
Fliegt eine Drohne lediglich irrtümlich in eine Sperrzone, liegt meist nur eine Verwaltungsübertretung vor; hier sind mildere Mittel zu wählen. Austro Control ist die zivile Luftfahrtbehörde.
Sie legt geografische Zonen für unbemannte Luftfahrzeuge fest, etwa Flugbeschränkungsgebiete, Sicherheitszonen um Flugplätze und No-Drone-Zones rund um sensible Bereiche.
Sie überwacht und koordiniert den Luftraum, ist bei Verstößen erste Anlaufstelle – kann aber selbst keine Drohnen „neutralisieren“. Erkennt sie eine Gefährdung, alarmiert sie die Polizei.
Das Bundesheer ist in erster Linie für die militärische Landesverteidigung zuständig. Im Kontext kritischer Infrastruktur hat es zwei Rollen: den militärischen Eigenschutz (z.B. Schutz von Kasernen, Führungsanlagen oder der Luftraumüberwachung) und Assistenzeinsätze zur Unterstützung der zivilen Behörden.
Bei einer erkannten militärischen Bedrohung – etwa einer bewaffneten Kampfdrohne oder einem staatlichen Akteur im Hintergrund – kann das Bundesheer mit Luftraumüberwachungsmitteln, Flugabwehrsystemen oder Abfangjägern reagieren.
Kommentare