Wie die Vanille auf den Rostbraten kam

Leser Johannes G. ist irritiert: Wer oder was ist dieses ominöse „Es“, das so viel „braucht“? Politiker beginnen ja bekanntlich fast jeden Satz mit „es braucht“. Handelt es sich bei „Es“ womöglich um eine nonbinäre Person? – Nun ja, Faktum ist, dass das Vokabular vieler Politiker, CEOs, COOs etc. noch ausbaufähig ist („Am Ende des Tages braucht es das Commitment, dass wir zeitnah besser performen“). Falsch ist die von Herrn G. wenig geschätzte Ausdrucksweise „es braucht“ zwar laut Duden nicht (schon Max Frisch schrieb „Dazu braucht es keinen Wahrsager“), nervig aber schon.
Daher, liebe Phraseologen: Es braucht mehr Variation. Schließlich hat auch Alt-Bürgermeister Häupl sein Lieblingsgetränk nicht mit den Worten „Es braucht Spritzwein!“, sondern mit „Man bringe den Spritzwein!“ bestellt.
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„Woher kommt eigentlich der Vanillerostbraten?“, fragt Kollege Dr. Martin S., nach eigener Aussage in seinem Essverhalten zwischen Gourmet und Gourmand schwankend (was fallweise auch auf sein Verhalten nach Spritzweingenuss zutrifft). Reflexartig ist der Wortklauber geneigt zu antworten: „Aus der Küche.“
Die Frage zielt aber auf etwas anderes ab, nämlich auf die Herkunft des Begriffes. Nach Vanille schmeckt besagter Rostbraten ja keineswegs. Tatsächlich handelt es sich um einen Euphemismus: Da Vanille wegen ihrer Herkunft aus Übersee seit jeher als kostspielig und exklusiv angesehen wurde, blieb ihre Verwendung zur Verfeinerung von Speisen wohlhabenden Kreisen vorbehalten. In weniger exklusiven Zirkeln wurde die teure Vanille durch den billigen und überall verfügbaren Knoblauch ersetzt – der auf diese Weise den Beinamen „Vanille des kleinen Mannes“ bekam.
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Apropos Würzung: Leser Dr. Wolfgang N. möchte wissen, ob ein Juror bei einer Chiliverkostung als „Scharfrichter“ angesprochen werden darf.
Ihr Wortklauber meint erfreut: Manchmal braucht es nur einen Kalauer, um einem Tag die richtige Würze zu verleihen.
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Zum Autor:
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
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