Wenn ein Willkommen nicht willkommen ist

Von Wolfram Kautzky
Unlängst kam im KURIER die Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs zu Wort. Anlass war die Legalisierung des sogenannten Deppenapostrophs. Zur Erinnerung: Ab sofort sind Schreibungen wie „Kevin’s Tattoostudio“ zulässig, zumindest dann, wenn es sich bei dem Gesamtbegriff um einen Eigennamen handelt. (Hat sich Kevin hingegen, wie vermutet werden darf, selbst einen Tiger oder ein Flügelmonster auf seinem Korpus anbringen lassen, müsste man „Kevins Tattoo“, also ohne Apostroph, schreiben.) Diese Innovation wird die Welt nicht aus den Fugen heben. Von größerem Interesse erscheint jedoch die Begründung, die von der Chefredakteurin für die Aufnahme solcher Erscheinungen ins Regelwerk gegeben wird: „Wir schauen uns an, wie es die Sprachbenützerinnen und Sprachbenützer schreiben.“
Diese seltsame Logik eröffnet, findet der Wortklauber, ebenfalls Sprachbenützer, ein weites Feld. Warum nicht auch Abschied vom Beistrich nehmen – den setzen ohnehin nur mehr ein paar Retro-Fans! Oder nehmen wir den Willkommensgruß unter die Lupe, der vor fast jedem Beisl, Restaurant oder Hotel zu finden ist: „Herzlich Willkommen“ ist dort in gefühlt 80 Prozent der Fälle zu lesen. Das ist nett – aber falsch. Denn „willkommen“ ist ein Adjektiv, richtig ist daher die Kleinschreibung: „Sie sind uns herzlich willkommen!“ Das Substantiv „Willkommen“ ist hingegen am Artikel zu erkennen: „Wir werden Ihnen ein herzliches Willkommen bereiten.“
In diesem Zusammenhang fällt Ihrem Wortklauber sein Kollege, der pingelige Sprachbenützer Dr. Martin S., ein. Wünscht jener zu speisen, wählt er das Lokal nicht nach kulinarischen, sondern ausschließlich nach grammatikalischen Kriterien aus: Bei Gaststätten, die ihn „herzlich Willkommen“ heißen, vergeht ihm rasch der Appetit. Also, liebe Wörterbuch- und Grammatikverfasser, warum so langes Zaudern und Zögern? Legalisieren Sie, Grammatik hin oder her, das große W in „Willkommen“ – Dr. S. wird es Ihnen danken und endlich wieder mehr Lokale besuchen können!
Fundstück der Woche: „Motorradstreit endet mit Messerstich“ (KURIER) - Möglicherweise hat eine bewaffnete Moto Guzzi auf eine provokante Harley Davidson eingestochen.
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
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