Von Maturierenden, Studierenden und Warmduschenden

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Wolfram Kautzky geht in seiner Kolumne "Wortklauberei" den Wörtern auf den Grund.
Wolfram Kautzky

Wolfram Kautzky

„Maturierendenbefragung 2024“ ist der Titel einer Studie des Instituts für Höhere Studien Wien. „Wurden die Armen befragt, während sie Klausuren schrieben?“, fragt sich Kollegin Gudrun P. Zur Erklärung: Die Bezeichung „Maturierende“ bedeutet nach strengen grammatikalischen Maßstäben, dass die betreffenden Personen während ihrer Befragung gerade „maturierend“ waren, also im Begriff, ihre Matura abzulegen – wofür das Interview zweifellos der falsche Zeitpunkt gewesen wäre.

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Die Verwendung des Mittelworts der Gegenwart („studierend“, „lehrend“ etc.) als Plural-Substantiv („die Studierenden“, „die Lehrenden“) hat sich in den letzten Jahren vor allem im universitären Bereich verbreitet. Der Hintergrund: Zur Durchsetzung der gendergerechten Sprache wird die Nennung beider Geschlechter bevorzugt – statt „die Studenten“ (sog. generisches Maskulinum: männliche Form, die Frauen sind mitgemeint) ist entweder die Paarformel „die Studentinnen und Studenten“ zu verwenden oder, weil dies spätestens nach dem 18. Mal ermüdend ist, die kürzere, geschlechtsneutrale Formulierung „die Studierenden“. Gegner dieser Ausdrucksweise argumentieren: Das Mittelwort der Gegenwart drücke eine gerade laufende Handlung aus – „Studierende“ sei daher eine Fehlbezeichnung, weil diese Personengruppe ja auch Ferien habe.

Der Wortklauber grübelt, ob der Siegeszug des bis dato offensichtlich unterbewerteten Mittelworts der Gegenwart nicht irgendwo an seine Grenzen stößt. Dürfen wir Warmduscher nur mehr „Warmduschende“ nennen? Sollten wir nicht doch zwischen „Schnarchenden“ und „Schnarchern“ unterscheiden? (Letztere verschonen ihre Umgebung wenigstens untertags.) Und ist eine Überschrift wie „Schon 14 tote Radfahrende in diesem Jahr“ (TAZ) nicht eher ein Fall für Parapsychologen bzw. Parapsychologisierende? Wie auch immer Sie diese Fragen für sich persönlich beantworten, eines steht fest: Für Studierende gibt es auch ein Studier-Ende – hoffentlich eines mit Happy End, wie sich Ihr Wortklaubender wünscht.

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Fundstück der Woche: „Wir liefern auch Sonn- und Feiertage!“ (Partyservice-Werbung in Salzburg) – Lassen Sie sich also den Ostersonntag und den Staatsfeiertag gut schmecken!

Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.

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