In welchem Aufzug kommen Sie daher?
Der Dialog war kurz und kurios. „Was halten Sie von einem Avocado-Sandwich?“, wollte die neugierige Dame wissen. „Ich halte immer den ganzen Sandwich!“, antwortete der Angesprochene, und die Fragestellerin suchte kopfschüttelnd das Weite. Womit wir bei einem Phänomen wären, das in der Sprachwissenschaft Polysemie genannt wird: bei der Mehrdeutigkeit von Wörtern. Beim genannten Beispiel kann das Verb „halten“ auf zweierlei Arten gedeutet werden: „etwas einschätzen“ oder „etwas in der Hand halten“ – zwei Bedeutungen, mit denen der (mehr oder weniger) humorige Herr spielen wollte, sehr zum Leidwesen seiner konsternierten Gesprächspartnerin.
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Beispiele für mehrdeutige Begriffe gibt es im Deutschen unzählige: „Ich bin ausgezogen“ (aus der Mietwohnung bzw. weil ich gerade sauniere), „ich verfluche die Bank“ (weil sie morsch ist bzw. weil mein Sparbuch so mies verzinst ist), „ich sitze im Zug“ (dem von Wien nach Linz bzw. jenem der lästigen Klimaanlage im Flugzeug), „sie ist schon wieder ausgegangen“ (nämlich die umtriebige Lebensgefährtin bzw. die vegane Bio-Hafermilch). In der Regel entscheidet der Kontext, wie ein Wort zu verstehen ist, manchmal führt Polysemie aber auch zu Missverständnissen. Die Frage „In welchem Aufzug kommen denn Sie daher?“ könnte entweder mit „Gefällt Ihnen mein Outfit nicht?“ oder mit „In einem von ThyssenKrupp!“ oder mit „Erst im dritten (in Wagners „Tannhäuser“).“ beantwortet werden. Und dass jemand „den Teppich verlegt“ hat, hat ja vielleicht auch schon einmal zur Replik „Ich hoffe, Sie finden ihn wieder!“ geführt.
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Ein besonders großes Bedeutungsspektrum weist das Wort „anmachen“ auf. Anmachen kann man nicht nur das Licht, sondern auch eine Person, den Salat und, im schlimmsten Fall, sogar sich selbst. So gesehen lässt der aktuelle Slogan eines Kultur- und Informationssenders Raum für unterschiedliche Interpretationen: „3sat macht den Kopf an“, ist da zu lesen. Angesichts des oben Gesagten dürfen wir uns den Kopf darüber zerbrechen, wie das gemeint ist.
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Fundstück der Woche: „Gartenbetreuung – Personenbetreuung – Entrüpelung“ (Inserat einer Hausbetreuungsfirma) – Der Fokus liegt offensichtlich auf Haushalten mit besonders ungehobelten Insassen.
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Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
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