Geht die Post ein?

Handelt es sich bei dieser Weinbezeichnung auch um Polysemie?
Von Wolfram Kautzky
„Im vergangenen Jahr gab es 1.764 Einsätze, die von 600 Polizisten bestritten wurden“, war kürzlich in der Kronenzeitung zu lesen. Diese Meldung ließ Ihren Wortklauber aufhorchen: Mit welchen Vorwürfen war die Polizei konfrontiert, dass sie so viele Einsätze einfach abstreitet? Gemeint war natürlich etwas anderes: Die 600 Polizisten haben 1.764 Einsätze durchgeführt (aber nicht deren Durchführung in Abrede gestellt).
Die missverständliche Formulierung hängt mit der sogenannten Polysemie (Vieldeutigkeit) einzelner Wörter zusammen: Diese tragen zwei gänzlich verschiedene Bedeutungen in sich – im Falle von „bestreiten“ einerseits die Durchführung einer Tätigkeit (z. B. Wettkämpfe bestreiten), andererseits das Ableugnen einer Sache (z. B. Vorwürfe bestreiten).
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Ein Klassiker für dieses sprachliche Phänomen ist das Verb „umfahren“. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob Sie als Autofahrer angesichts einer mitten auf der Straße auftauchenden Mülltonne beschließen, diese zu umfahren (gut fürs Auto) oder sie umzufahren (schlecht für die Mülltonne).
Oder worum handelt es sich eigentlich bei einem „Ex-Trinker“ – um einen ehemaligen Trinker oder um einen noch aktiven, der alles ex trinkt? (Wenn Letzterer seiner Gewohnheit schließlich abschwört, wird er übrigens zum „Ex-Ex-Trinker“).
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Als Ihr Wortklauber vor Kurzem von einem Bekannten informiert wurde, dieser habe den Boden verlegt, musste er sofort nachfragen, ob er ihn auch wieder gefunden habe. Und hört oder liest er etwas von der „eingehenden Post“, rätselt er regelmäßig darüber, ob das Unternehmen knapp vor dem Eingehen steht oder bei den Kunden auch noch in Zukunft Post eingehen wird. – Einen interessanten Tipp hat Leserin Hildegard T. in einem Wander-Knigge gefunden: „Nicht allzu viel einpacken, es soll ja noch Platz für den besorgten Wein sein.“ Im Zweifel würde der Wortklauber trotzdem eher zu sorgenfreiem Hochquellwasser als zu besorgtem Wein tendieren.
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Fundstück der Woche: „Modedesignerin Erika Cholpova hat modernden Look für Dirndlkleider kreiert.“ (KURIER) – Es steht zu befürchten, dass Dirndlkleider, die vor sich hinmodern, nicht lange modern sein werden.
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
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