Was diese beiden Episoden gemeinsam haben? In beiden Fällen wird eine Person auf ein bestimmtes Merkmal reduziert: Der freche Vordrängler am Büfett auf seinen Ohrschmuck, der Patient im Spital auf seinen lädierten Körperteil.
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Wird ein Detail fürs Ganze verwendet, spricht man von Pars pro toto (lat. ein Teil für das Ganze). Dieses Stilmittel begegnet im Alltag häufig: Ein „kluger Kopf“ ist ein kluger Mensch, als „guter Tropfen“ wird ein guter Wein bezeichnet, „der Österreicher matschkert gerne“ steht nicht für eine einzelne Person, sondern für (fast) alle Bewohner unseres Landes.
Das Gegenteil dieser rhetorischen Figur ist das Totum pro parte („das Ganze für einen Teil“): „Österreich besiegt Polen“ bedeutet nicht, dass 9 Millionen Österreicher 40 Millionen Polen besiegt haben, sondern dass elf (plus fünf eingetauschte) Ösi-Kicker gegen die polnische Fußball-Nationalmannschaft gewonnen haben (und zwar mit 3:1 bei der EM 2024).
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Noch einmal zurück zu den beiden Eingangsbeispielen. „Eigentlich arg, dass ein Mensch, der eine ganze Lebens- und Leidensgeschichte hat, auf ein äußeres Merkmal reduziert wird!“, befindet Physiotherapeutin Alexandra. Um im selben Atemzug eine Episode aus ihrer eigenen Praxis zu erzählen: Im Zuge der wöchentlichen Nachbesprechung sei ein männlicher Patient als „Unterhose vom Dienstag“ tituliert worden. Der Grund für die ungewöhnliche Benennung: Es habe sich um eine Unterhose von Bruno Banani in den sehr auffälligen, aber wenig gefälligen Farben Braun und Gelb gehandelt. Tipp: Vermeiden Sie bei der nächsten Physiotherapie-Sitzung exzentrische Unterwäsche – sonst werden sie, Pars pro toto, gleich mit ihr identifiziert.
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Fundstück der Woche: „Männer Schluss Verkauf“ (Plakat in einem Salzburger Modegeschäft) – offenbar sind Erstere schon zu Ladenhütern geworden.
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
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