Wir haben ja nichts gehabt

Kindheit in den 1970ern, das war Kindheit im Auto
Barbara Beer

Barbara Beer

Zunächst einige einführende Worte: Ich hasse das Wort Transdanubien, es ist herablassend. Denn wer bestimmt, wo „drüben“ ist? Aber wenn ich dreimal Floridsdorf und Donaustadt schreibe, ist die Kolumne voll. Bitte verzeihen Sie mir das T-Wort.

Letztens war ich unpräzise. 1978 wurde die U1 fertig, stimmt, aber die Donaustadt musste länger drauf warten. Zentrum Kagran wurde 1982 eröffnet. Ich war quasi dabei. In meiner Erinnerung war’s vorher so: Wir haben ja nichts gehabt. Außer einer Bim und ein paar Zerquetschten. Als die U1 endlich nach Transdanubien fand, war’s auch nur ein bisserl besser. Wirklich bis in den hintersten Winkel fährt sie erst seit 2006.

Von Steinzeit war nun die Rede, als ein paar Straßenbauvorhaben hinterfragt wurden. Die Erinnerungen an meine Jugend in Transdanubien sind auch ein bisserl Steinzeit.

Wer in den 1970ern in der Großfeldsiedlung wohnte, für den war Mistelbach öffentlich besser zu erreichen als die Wiener Innenstadt. Und auch, als die U1 nach Kagran kam, war Wien 1 eine Weltreise. Hatte man ein Rendez-vous am Stephansplatz, musste man eigentlich sonst nichts mehr unternehmen, weil, wenn du fünf Minuten zu spät dran warst, war’s eh schon wieder Zeit zum Heimfahren.

Danke der Nachfrage, übrigens, es war ein relativ gewaltfreies Aufwachsen in der Großfeldsiedlung, ich kannte keine Gangs und Lesen und Schreiben habe ich auch halbwegs gelernt. Manchmal war es sogar ziemlich schön, weil überall Gstätten war und Platz für Fahrrad und Hund. Am Sonntag sind wir zum Badeteich nach Hirschstetten gefahren, mit dem Auto, natürlich, haben Italo-Schlager gehört – Drupi, Ricchi e poveri – und die Eltern haben im Auto getschickt. So manches klingt wahnsinnig romantisch, im Nachhinein.

Meinen Vater habe ich nie in ein öffentliches Verkehrsmittel steigen gesehen. Obwohl, oder wahrscheinlich weil er, der mit 14 schon gearbeitet hat, als Junger viel mit der Bim fahren musste. Wenn überhaupt, weil den Fahrschein musste man sich auch leisten können. Manche haben wirklich nichts gehabt.

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