Wie peinlich war Felicità

Über den unwiderstehlichen Charme von italienischen Autobahnraststätten.
Barbara Beer

Barbara Beer

Manchmal hat man das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Und oft genug ist man sich nicht sicher, was man damit anfangen soll. Wenn spätabends in einem Wiener Vorstadtbeisl, das ausgerechnet „Tiroler Alm“ heißt, das Lied „Do you really want to hurt me“ über die Gasse weht, breitet sich Nostalgie mit ambivalenter Note aus.

Fand man das als sehr junger Teenager gut oder schlecht? Die zweifelnde Nostalgie, die einen da überkommt, ist so widersprüchlich wie die Erinnerung an die 1980er insgesamt. In dieser Zeitung war unlängst zu lesen, Wien sei damals grau gewesen. Das hat nicht allen Lesern gefallen. Ich bleib dabei. Wien war grau, in vieler Hinsicht aber auch sehr liebenswert.

Ein paar Gassen weiter, derselbe heiße Sommerabend: Auf einem Balkon, verdeckt hinter Pelargonien, sind gedämpfte Stimmen und leise Musik zu hören. „Felicità“, Al Bano und Romina Power, 1982. Selbes Jahr wie der vorhin erwähnte Song. Gefühlslage dazu? Eindeutig positiv. Hätte man in dem Alter allerdings nie im Leben zugegeben. Da ist plötzlich die Erinnerung, als man jeden Sommer mit dem Papa von Floridsdorf nach Rimini fuhr, im Auto Italo-Pop mitgrölend. Der Nachschub an einschlägigen Schlagern wurde beim Autogrill besorgt, und zwar mehrmals, denn die Qualität der italienischen Kassetten war so zweifelhaft wie jene der Musik selbst. Die Liebe zu den italienischen Raststätten ist nach wie vor ungebrochen. Auch heute noch fängt der Urlaub beim ersten Autogrill über der Grenze an.

Was sich seit damals verändert hat? Es gibt weniger Fischernetze an den Wänden der italienischen Pizzerien Wiens, und der Muranoglas-Tier-Import ist eingebrochen. (Das meiste war meine Oma, ihr Traffic lief zwischen Caorle und der Prager Straße.) Nicht verändert hat sich das Eis am Schwedenplatz. 1982 kam es allerdings nicht als Frühstück infrage, schon gar nicht in Form von drei Portionen hintereinander. Für das Bauchweh danach wäre man damals halt auch nicht selbst verantwortlich gewesen.

Übrigens, Felicità ist mir heute nicht mehr peinlich.

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