Vienna, City of Ramsch

"Stadtgeflüster": Wenn selbst die Touristen zwar das Gebäude, nicht aber den gebotenen Ramsch schätzen, sollte irgendwer in dieser Stadt tätig werden.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Ein Bazar hätte es werden sollen, „ein verwinkelter, romantischer, orientalischer Bazar, wo man gerne verbleiben und nicht flüchten will, als Gegenpol zur üblichen nüchternen Verkaufsstätte.“

Stattdessen gibt es jetzt: Sisi-Löffel und Klimt-Häferl, Stoff-Teddybären in I-love-Vienna-T-Shirts, Riesenrad-Teedosen und Steffl-Christbaumkugeln.

Wovon ich da schreibe? Vom Hundertwasser Village, gleich neben dem Kunsthaus mit dem Museum Hundertwasser in der Unteren Weißgerberstraße im dritten Bezirk.

Künstler Friedensreich Hundertwasser hat die einstige Reifenwerkstatt neben dem von ihm gestalteten Museum von 1990 bis 1991 in bekannter Manier umgebaut: Wo einst Wiens modernste Reifen verkauft wurden, sind die Wege zwischen den Ziegelwänden nun uneben, Erdgeschoß und Galerien mit bunten Säulen verbunden und Bäume auf dem Dach.

Klingt wunderbar, wäre es auch – wenn sich da nicht ein plumper Souvenirshop an den anderen reihen würde. Selbst die Touristen, für die dort die „nötige Infrastruktur“ geschaffen werden sollte, halten auf der Online-Urlaubsplattform Tripadvisor nicht mit Kritik hintan: „Nur durch Tourismus und Kommerz geprägt – leider“, schreibt einer. Und ein anderer: „Die Architektur ist wunderschön, die Nutzung besteht aber aus üblen Kommerzbuden.“

Wenn selbst die Touristen zwar das Gebäude, nicht aber den gebotenen Ramsch schätzen, sollte irgendwer in dieser Stadt vermutlich tätig werden.

Und ich hätte auch schon eine Idee, wie: Denn im Gegensatz zu (ungefähr allen) anderen europäischen Städten, hat Wien weder eine tolle Indoor-Markthalle (Markthalle 9, Berlin), noch einen Street-Food-Markt (Papierinsel, Kopenhagen), noch einen Ort, an dem gesammelt in Wien kreierte Produkte verkauft werden. Und von denen hätten wir genug: Wir haben tollste Kaffeeröster, Wien-Gin, Wiener Seife, junge Schmuck- und Modedesigner und bestes Essen.

Und bei ein bisschen Lebensgefühl wie am Londoner Brick Lane- oder Camden Market würde man wohl auch eher verbleiben und nicht gleich flüchten wollen.

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